Jugend ohne Gott - Buchtipp

Der Roman Jugend ohne Gott beschreibt aus Sicht des Ich-Erzählers, einem unbenannten Lehrer aus
der Zeit des Nationalsozialismus, das Verhalten einer vermeintlich verlorenen Generation junger Menschen. Jene im Fokus des Buches stehende Generation, die nach dem ersten Weltkrieg aufwuchs, sah sich zunehmend einer militarisierten Gesellschaft ausgesetzt, die Gehorsam belohnte und Verachtung gegenüber dem Fremden unterstützte. Es geht, wie der Klappentext der Erstausgabe verrät, um die „seelenlose Verfassung der Jugend, die, abseits von Wahrheit und Gerechtigkeit, in einer unheimlichen Kälte heranwächst“. Der Lehrer ist als Erzähler gleichsam Beobachter und die vermeintliche moralische Instanz des Romans.
Vermeintlich deshalb, weil der Protagonist erkennbar eben jene Vorwürfe, die zunächst der Jugend vorbehalten bleiben, auch an sich selbst abarbeitet. Und dabei nimmt er den Leser ganz zwangsläufig in die Pflicht, die im Buch getroffenen Entscheidungen für sich selbst ebenso zu bewerten und einzuordnen. Das beklemmende Gefühl, trotz rationaler Bemühungen, den Kampf gegen das eigene Gewissen ständig zu verlieren, begleitet den Protagonisten und Leser gleichermaßen Den Rahmen des Romans bildet ein Verbrechen, bei dessen Aufklärung der Protagonist eine herausragende Rolle spielt. Die Aufklärung der Kriminalgeschichte bindet den Leser geschickt und bei Beibehaltung einer gewissen Spannung an das Buch. Die Gewissensfragen, die den Lehrer bei all seinen Handlungen begleiten, bilden den Überbau für den sich immerwährend im Kreis
drehenden moralischen Kompass des Erzählers. Dass der Roman im Jahr 1938 aufgrund „pazifistischer
Tendenzen“ von den Nationalsozialisten auf die Liste „des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ gesetzt wurde, kann aus heutiger Sicht nur als Bestätigung des Autors verstanden werden, der mit seinem Roman die Tür zur eigenen Seele öffnet und den eigenen Verstand geradezu dazu nötigt, sich selbst ein Urteil
zu bilden – Ausgang offen. Am Ende steht die Frage, wie man sich selbst in der Rolle der verschiedenen
Figuren des Romans verhalten hätte. Ist Humanismus in Krisenzeiten möglich? - Eine Frage, die aktueller kaum sein könnte.