Der Petrolton im Riesling

Wein ist ein äußerst sensibles Naturprodukt, das in seinen Wachstums- und Verarbeitunsprozessen einer Vielzahl von Einflüssen ausgesetzt ist. Diese Einflüsse selbst haben sogar die Tendenz, aufeinander einzuwirken. Somit ist die Kunst des Weinmachens eine stetige Herausforderung, insbesondere in Zeiten, in denen sich das Klima wandelt. Neuerdings wird häufiger über die so genannte Petrolnote diskutiert, die sich vornehmlich, aber nicht nur, im Riesling finden lässt. Für die einen ist sie ein Zeichen der Reife, für die anderen ein Fehlton, erinnert jene Petrolnote doch an Petrol, Benzin, Kerosin. Schon wurde unter den Weintrinkern die Vermutung laut, dass die in letzter Zeit häufiger stattgefundenen Kerosinablassungen von Flugzeugen über dem Gebiet der Pfalz für den neuerdings auftretenden Geschmackston im Wein verantwortlich seien. Ganz klar gesagt: Diese Umweltverschmutzung durch den Flugverkehr ist mehr als ärgerlich, aber nicht ursächlich für die Petrolnote im Wein.

Die Petrolnote in vorzugsweise der Rebsorte Riesling lässt sich auch in anderen Anbaugebieten wiederfinden. Besonders die Weine aus dem Elsass und ebenso die südafrikanischen Weine, um nur zwei Weinregionen zu nennen, weisen den Petrolton regelmäßig auf. Weintrinker begegnen dieser Geschmacksnote mit unterschiedlicher Toleranz und Akzeptanz. Gerade in Nordeuropa ist die Petrolnote erwünscht, in Südafrika wird sie als eine normale Komponente angesehen. Die deutschen Weingenießer sind sich uneins. Bemerkenswert jedoch ist, dass mehrere Institute Untersuchungen über die Herkunft und die mögliche Reduzierung des Petroltons durchgeführt haben – so auch das Institut für Weinbau und Oenologie des DLR Rheinland-Pfalz mit Sitz in Neustadt an der Weinstraße. Das alleine zeigt, dass jene Note nicht uneingeschränkt als normal oder gar erwünscht betrachtet wird.

Hervorgerufen wird der Geschmack durch das Entstehen von 1,16-Trimethyl-1,2 Dihydro-Naphtalin, kurz TDN. TDN entsteht beim Abbau von Carotinoiden, die vermehrt in Rieslingweinen aus stark sonnenexponierten Beeren enthalten sind. Carotinoide sind im Pflanzen- und Tierreich weit verbreitete Farbstoffe, bilden meist gelbe, rote oder violette Pigmente. Bei Riesling ist der Anteil von Beta-Carotin (gelb-orange Farbpigmente) besonders hoch und durch starke Sonneneinstrahlung noch ausgeprägter. Geht die hohe Sonnenbelastung mit Wasserstress einher – also zu wenig Wasser – dann kann es zu einem Laubabfall, kleinen Beeren bis hin zu lockerbeerigen Trauben kommen. Jene lockerbeerigen Trauben bieten der Sonne eine größere Oberfläche, und damit Angriffsfläche, als eine kompakte Traube. Hinzu kommt die Tendenz der Winzer, insbesondere bei hochwertigen Weinen, die Trauben komplett von Laub zu befreien. Eine einseitige, zweiseitige oder gar komplette Entblätterung führt zu unterschiedlichem TDN-Gehalt, der mit dem Ausmaß der Entblätterung zunimmt. Damit ist die Traube des natürlichen Sonnenschutzes durch das üblicherweise vorhandene Blätterdach beraubt. Zudem fand man heraus, dass eine späte Lese den TDN-Gehalt ebenfalls begünstigt.

Die Möglichkeiten zur Minimierung des Petroltons im Keller liegen unter anderem bei der Zugabe von Hefe als Reduktionsmittel und in der Variation der Gärungstemperatur. Dort jedoch einen Weg zu finden, der die anderen gewünschten Geschmackstöne nicht angreift, ist keineswegs einfach.

Immer wieder kann man lesen, dass eine lange Lagerung des Weines den Petrolton verstärkt. Es ist eher davon auszugehen, dass der Petrolton gleichbleibt, jedoch deswegen stärker empfunden wird, weil die anderen Nuancen in der Wahrnehmung tatsächlich im Laufe der Zeit zurücktreten beziehungsweise verschwinden.

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass auch auf diesem Feld der Klimawandel erkennbar wird und eine Reaktion erforderlich macht. Tatsache ist, dass führende Weinexperten und Institute Anstrengungen unternehmen, um diesem relativen neuen Geschmackston auf die Spur zu kommen und Strategien dagegen zu entwickeln. Es ist kein Zeichen von Güte, wenn ein Wein nach Kerosin schmeckt, sondern zeugt von zu intensiver Sonneneinstrahlung. Ob man diese Geschmacksnuance mag oder nicht, bleibt jedem selbst überlassen.