Häufiger Geburten per Kaiserschnitt

Ein Kaiserschnitt kann Leben retten. In vielen Fällen aber ist der Eingriff aus medizinischer Sicht gar nicht notwendig. Trotzdem verdoppelte sich weltweit die Zahl der Kaiserschnitte seit der Jahrtausendwende. Sie stieg von zwölf Prozent im Jahr 2000, was 16 Millionen von 131,9 Millionen Geburten entspricht, auf 21 Prozent im Jahr 2015 (knapp 30 Millionen von 140,6 Millionen). Die Zahlen basieren auf Statistiken der Weltgesundheitsorganisation WHO und der UN-Kinderschutzorganisation Unicef. Laut dem statistischen Bundesamt in Wiesbaden liegt der Anteil der Kaiserschnittgeburten in Deutschland bei rund 36 Prozent. Dabei zeigen sich Schwankungen in den Bundesländern. In Rheinland-Pfalz lag der Anteil im vergangenen Jahr bei 33 Prozent. Medizinisch notwendig ist ein Kaiserschnitt schätzungsweise bei zehn bis 15 Prozent der Geburten.

Dr. Gerhard Jakob ist Frauenarzt. Seine Praxis ist in der Bahnhofstraße in Speyer ansässig. Er sieht die Zunahme an Geburten per Kaiserschnitt kritisch.

Chili: Herr Dr. Jakob, Sie sind ein erfahrener Arzt in Sachen Geburtshilfe.

Jakob: Seit vielen Jahren bin ich sowohl in der Klinik als auch in eigener Praxis tätig und betreue fortlaufend bis zu 200 schwangere Patientinnen. Ich bin geburtshilflich sehr engagiert und beobachte sehr genau die Entwicklung in der Geburtshilfe. Derzeit erfüllt mich die steigende Zahl der Kaiserschnittgeburten mit großer Sorge. Nach meiner Erfahrung liegt deren Anteil zwischen 30 und 40 Prozent. Spontangeburten werden immer mehr zur Ausnahme.

Chili: Worin sehen Sie den großen Vorteil einer Spontangeburt?

Jakob: Die Leistung einer Spontangeburt ist es, das eigene Kind selbst geboren zu haben. Das ist von unglaublicher Bedeutung. Das Bekenntnis zum eigenen Kind, die Verantwortung und die Nähe von Mutter und Kind beginnen schon während der Geburt. Der erste Blickkontakt zwischen der Mutter und dem Neugeborenen prägen dauerhaft die Mutter-Kind-Beziehung. Der Stellenwert von Geburtserlebnis und -leistung im Leben der Frau findet im häufiger nur eine untergeordnete Würdigung, dabei gibt es kaum etwas von größerer Bedeutung.

Chili: Lehnen Sie eine Kaiserschnittgeburt ab?

Jakob: Das ist die falsche Frage. Bei rund zehn Prozent der Geburten war ein Kaiserschnitt schon immer erforderlich, um Schaden von Mutter und Kind abzuwenden. Zum Beispiel wenn es unter der Geburt einfach nicht mehr weitergeht, bei einem Missverhältnis oder schlechten kindlichen Herztönen, oder wenn Frauen schon alle Kraft investiert haben, dann ist ein Kaiserschnitt die Erlösung, die Hilfe und unumgänglich.

Chili: Worin liegt denn der Grund für die übersteigerte Kaiserschnittrate?

Jakob: Sie ist verursacht durch vorzeitige Geburtseinleitung ohne Geburtsbereitschaft. Diese wird geplant bei übergroßen Kindern, adipösen Müttern, Schwangerschaftsdiabetes und vorausgegangenen Kaiserschnitten. Aber auch Wunschkaiserschnitte werden in Unzahl ohne jegliche medizinische Indikation durchgeführt.

Chili: Welche Probleme ergeben sich daraus Ihrer Meinung nach?

Jakob: Es fehlt die deutliche Aufklärung der Mutter über die Nachteile für das Kind nach einer Kaiserschnittentbindung. Die Kinder leiden unter Atemproblemen, erkranken dreimal häufiger an Bronchialasthma, entwickeln eher Allergien, sind anfälliger für Infektionskrankheiten und möglicherweise Diabetes Typ 1, wobei die unterschiedlichen Darmbakterien eine Rolle spielen.

Chili: Was kann unternommen werden?

Jakob: Wir brauchen eine Kehrtwendung in unserer Geburtshilfe. Weg von einer rein medizinischen Orientierung, in der Leitlinien zum Dogma erhoben werden und sich Geburtshelfer dahinter verstecken, hin zur Wertschätzung und Würdigung eines Geburtserlebnisses als Voraussetzung für die innige Mutter-Kind-Beziehung und Basis der Familie und Gesellschaft.

 

Kontakt:

Dr. Gerhard Jakob
Frauenarzt
Bahnhofstraße 49
67346 Speyer
06232-25424

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