Ernährung = Statussymbol

Ob eine gesunde Ernährung nur den Wohlhabenden vorbehalten ist, ist eine Frage, die unter anderem Soziologen, Ökonomen, Ernährungswissenschaftler, Ärzte und Politiker beschäftigt. Eindeutig zu beantworten ist sie nicht. Neben den Kosten für Lebensmittel beeinflussen auch andere Faktoren die Ernährungsgewohnheiten der Menschen: Zeit, Lagerungsmöglichkeiten, haushälterisches Geschick, Einsamkeit, sozialer Druck oder familiärer Frieden, um nur einige zu nennen. Diese gelten jedoch in allen sozialen Klassen.

Trotzdem können sie nicht beiseitegeschoben werden, da sie in den unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten zu einer anderen Gewichtung und damit zu anderen Konsequenzen führen. So gehört zu fast jedem geselligen Beisammensein - ob in Kneipe, Café oder zu Hause - auch die Nahrungsaufnahme. Wer kann sich schon ein Kaffeekränzchen ohne Kaffee oder einen Kindergeburtstag ohne Kuchen vorstellen? Auf solche Aktivitäten verzichten zu müssen, kommt einer sozialen Isolation gleich. Ein anderer Aspekt: Gibt es keine Harmonie in der Familie, so wird ein gemeinsames Essen schnell zum Kriegsschauplatz – auf den man gerne verzichtet. Wie die Alternative dazu ausfällt, ist sicherlich auch eine Frage des Preises.

Zu den haushälterischen Fähigkeiten zählt selbstverständlich auch die Einkaufsplanung. Wer seinen Einkauf plant, wirft weniger Lebensmittel weg und erhält im Wochenverlauf eine abwechslungsreichere und ausgewogenere Ernährung. Zur Planung und der damit verbundenen Vorratshaltung zählt auch die Lagerung von frischen oder schon verarbeiteten Lebensmitteln. Ist die Wohnung klein, kein kühler Keller und keine Kühltruhe vorhanden, ist die Lagerung schwieriger oder sogar unmöglich. Der Zeitfaktor spielt eine nicht unerhebliche Rolle bei der Ernährung. Die Frischeküche ist deutlich zeitaufwändiger als das Erwärmen von Fast Food – wie der Name schon sagt. Zeit spielt jedoch in allen Schichten eine Rolle, die Frage ist nur, wie ein Mangel an Zeit kompensiert wird. Wenn Ernährung ausschließlich zum Hungerstillen degradiert wird, liegt die genussvolle und ausgewogene Ernährung im Bereich des Luxus. Schnell zu beantworten ist natürlich die Frage, ob die Frischeküche gegenüber der Fast Food Ernährung teurer ist. Sie ist es nicht. Allerdings essen finanziell schlechter gestellte Menschen tendenziell weniger frisches Obst und Gemüse, Milchprodukte, Frischfleisch und fettarme Fleischerzeugnisse.

Im Vergleich zu finanziell besser gestellten Haushalten kommen bei ihnen häufiger Konserven, fettreiches Fleisch und billige Wurstsorten auf den Tisch. Besonders hoch ist auch der Anteil an Fertigund Halbfertigprodukten mit hohem Fettgehalt und geringer Nährstoffdichte, wie etwa Pommes frites. In einigen Studien werden Kostenvergleiche auf Basis der erhaltenen Kalorienmenge betrieben. Um mit Karotten auf den gleichen Kalorienwert einer Fertigpizza zu kommen, bedarf es schon einer großen Menge, die sicherlich vergleichsweise teurer ist als eben jene Pizza. Doch dieser Vergleich hinkt. Gerade in den unteren sozialen Schichten ist Übergewicht ein großes Problem, da beim Erreichen der erforderlichen Tageskalorienmenge nicht aufgehört wird zu essen. Tatsächlich ist die tägliche Kalorienaufnahme häufig viel zu hoch, was einer gesunden Ernährung nicht zuträglich ist. Und wer ernährt sich schon ausschließlich von Karotten, was neben dem Aspekt der Langeweile ebenfalls sehr einseitig wäre?

Selbst mit kleinem Geldbeutel braucht man auf Obst und Gemüse, die als Grundbausteine einer ausgewogenen Ernährung gelten, nicht zu verzichten. Jede Menge Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe stecken in allen Sorten. Dabei ist Bio nicht unbedingt besser, was die Nährwerte der einzelnen Sorten betrifft, wie schon in vielen Tests bewiesen wurde. Wer auf saisonale Sorten setzt, wählt die preiswerte Alternative, die zudem auch besser schmeckt. Vermehrt werden auch bei Erzeugern direkt oder an besonderen Verkaufsstellen Ernteprodukte angeboten, die zwar qualitativ tadellos sind, aber deren Aussehen eventuell nicht der Norm entsprechen. Sie sind ebenfalls günstiger und nicht selten mit einem intensiveren Geschmack gesegnet. Regionale Produkte haben einen geringeren Preis als importierte Exoten. Brot, Nudeln, Reis und Kartoffeln sind wichtige Grundnahrungsmittel, die ebenso zu einer ausgewogenen Ernährung gehören. Sie machen satt, enthalten kaum Fett, dafür aber reichlich Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe. Dabei sollten Vollkornprodukte bevorzugt werden. Milch und Milchprodukte gehören bei einer gesunden Ernährung täglich auf den Speiseplan. Sie liefern hochwertiges Eiweiß und Calcium für unsere Knochen. Dabei sind Joghurt, Quark, Buttermilch und andere Milchprodukte nicht unbedingt teuer. Ein Naturjoghurt mit frischem Obst gemischt ist ohne Frage gesünder als jeder Erdbeersahnezuckersüßmitkünstlichenarmomastoffenaufgepeppterjoghurt je sein kann.

Fisch, Fleisch und Wurstwaren sind Lieferanten von Proteinen, Eisen und Vitaminen. Fleisch ist teuer, sollte aber aufgrund des meist hohen Fettgehaltes auch nicht jeden Tag auf dem Speiseplan stehen. Wer nur zwei- bis dreimal wöchentlich Fisch, Fleisch oder Wurst genießt, spart nicht nur Geld, sondern ernährt sich gesünder und setzt gegen die Massentierhaltung ebenfalls ein Zeichen. An den anderen Tagen nehmen pflanzliche Proteine beispielsweise Hülsenfrüchte wie Linsen, Kichererbsen und Bohnen den Platz auf dem Teller ein. Sie sind günstig und enthalten jede Menge Mineralstoffe. Was ist nun also die Schlussfolgerung? Eine gesunde Ernährung ist auch mit einem kleinen Haushaltsbudget zu erreichen, trotzdem wird sie immer mehr zu einem Luxus.

Der Luxus liegt bei jedem selbst. Auch wenn es viele Gründe gibt, die die regelmäßige Umsetzung erschweren, sind es Ausflüchte, es nicht wenigstens zu versuchen. Die Erkenntnis, dass gesunde Ernährung nicht zwangsläufig teuer sein muss, ereilt uns quasi jedes Mal, wenn wir unser eigenes Konsumverhalten auf den Prüfstand stellen. Nach einer aktuellen Berechnung des Statistischen Bundesamtes, werden pro Bundesbürger und Monat rund 19 Prozent des Einkommens für Aufwendungen im Bereich Ernährung und Bekleidung verwandt. Wie viel ausschließlich für Nahrungsmittel ausgegeben wird, lässt die Statistik offen.

In der Reihenfolge der monatlichen Hauptausgaben rangiert der Bereich Ernährung/ Bekleidung auf Platz zwei hinter dem Spitzenreiter Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung (35 Prozent des Monatseinkommens) und dem Drittplatzierten Bereich Verkehr, Post und Telekommunikation (17 Prozent des Monatseinkommens). Im europäischen Vergleich landet Deutschland mit der pro Kopf Summe der monatlichen Aufwendungen im Bereich Nahrungsmittel im Mittelfeld der Staatengemeinschaft. Das allgemeine Konsumniveau, also die Summe der Mittel, die monatlich zur Verfügung stehen, unterscheiden sich je nach Höhe des Einkommens teilweise erheblich. Trotzdem verändert sich an der anteilsmäßigen Aufteilung der Mittel für die Einzelbereiche (Konsumstruktur) auch bei unterschiedlichen Einkommenshöhen im Verhältnis recht wenig.

Die Aspekte Zeit (für Zubereitung) und Vielfalt (exotische Lebensmittel) setzen durchaus einen gewissen Reichtum, sowohl monetärer als auch nicht-monetärer Natur voraus. Nicht jeder Konsument kann und mag es sich leisten, einen großen Teil der Freizeit und des Einkommens in die Küche zu investieren und nicht jeder Hobbykoch wird zwingend ein Topinambur- Schaumsüppchen auf dem eigenen Wochenspeiseplan wiederfinden müssen. Viel wichtiger ist das Klären der Frage, was uns Essen im Allgemeinen wert ist. Wie sehr sind wir überhaupt an einer heterogenen und ausgewogenen Ernährung interessiert? Und wie können verschiedenen Vorstellungswelten und Lebensentwürfe mit der eigenen Haushaltskasse in Einklang gebracht werden?

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