Die Blindschleiche

Tatsächlich täuscht bei der Blindschleiche der erste Eindruck. Sie sieht zwar einer Schlange ähnlich, doch eigentlich zählt sie zu der Gattung der Echsen. Und ihr Sehvermögen ist trotz ihres Namens hervorragend. Wie Eidechsen auch, können sich Blindschleichen bei Gefahr von einem Teil ihres Körpers trennen. Geraten sie in die Fänge eines Fressfeindes – oder in die Hand des Menschen – so schlängelt sich das längere Ende hastig davon, während das kürzere Stück heftig zappelnd in der Hand des Menschen oder im Maul des Feindes verbleibt. Mit diesem Trick gelingt es in Gefahr geratenen Blindschleichen oftmals, ihren verwirrten Feinden zu entkommen. Dies machen mehrere Sollbruchstellen im Schwanz möglich, die es dem Tier erlauben, den Schwanz abzuwerfen. Der Schwanz wächst zwar wieder nach, jedoch nur verkürzt. Die eigenartig steifen und weniger grazilen Schlängelbewegungen der Blindschleiche unterscheiden sie sichtbar von einer wirklichen Schlange. Zum Züngeln müssen sie das Maul leicht öffnen, da sie anders als Schlangen keine Lücke in der Oberlippe besitzen. Auch kann ein Fachmann bei sehr genauem Hinsehen rudimentär an der Wirbelsäule vorhandene Becken- und Schulterknochen feststellen. Ausgewachsene Tiere erreichen eine Gesamtlänge von bis zu 50 Zentimetern und sind an der Oberseite braun, grau oder gelblich gefärbt; manche glänzen auch in Bronze- oder Kupfertönen. Der Name Blindschleiche hat nichts mit ihrer Sehfähigkeit zu tun, sondern leitet sich von ihrer Optik ab. Denn tatsächlich stammt der Name aus dem althochdeutschen Plintslicho, was so viel wie blendender Schleicher bedeutet und auf den glänzenden, sich schlängelnden Leib der Tiere zurückzuführen ist.

Die Blindschleiche ist sehr harmlos, um nicht zu sagen wehrlos. Entsprechend scheu ist sie und tritt somit kaum in Erscheinung. Ihre Waffe ist die Tarnung. Aus diesem Grund ist über ihr Sozialverhalten nur wenig bekannt. Tagsüber versteckt sie sich meist. Auf die Jagd geht sie in der Abenddämmerung und in den frühen Morgenstunden. Leibspeise der Blindschleiche sind Regenwürmer, Nacktschnecken und unbehaarte Raupen. Züngelnd nimmt sie Witterung auf, pirscht sich an ihr Opfer heran, packt es mit dem nach hinten gekrümmten Gebiss und verschluckt es im Ganzen. Bei einem großen Regenwurm kann das bis zu eine halbe Stunde dauern. Die Zahl ihrer Fressfeinde ist groß. Blindschleichen stehen auf dem Speiseplan zahlreicher Vogelarten, werden gejagt von Säugetieren wie Igel, Dachs, Fuchs und Marder. In Siedlungsgebieten stellen ihnen Hunde, Katzen und selbst Hühner nach.

Der größte Feind der Blindschleiche ist allerdings der Mensch, der ihren Lebensraum mit intensiver Land- und Forstwirtschaft zerstört, ihre Bestände durch das Ausbringen von Pestiziden und Schneckenkorn dezimiert und sie oft einfach zertritt. In mehreren Bundesländern steht die Schleiche inzwischen auf der Vorwarnliste oder gilt als gefährdet.

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