Warum wir am Zeiger drehen

Beim Hören des Begriffs Sommerzeit, spätestens jedoch beim wiederkehrenden Umstellen der Uhr um eine Stunde nach vorne stellt sich die Frage, warum wir eigentlich regelmäßig kollektiv am Zeiger drehen. Um sich der Antwort auf diese Frage zu nähern, ist es notwendig, den Blick zunächst auf die Entwicklung der global einheitlichen Tageszeit und daran anschließend der Zeitzonen zu lenken.

Bis ins späte 19. Jahrhundert hinein richtete sich die Ortszeit weit verbreitet nach dem Stand der Sonne und die Zeitmessung erfolgte durch eine Einteilung des Tages in die so genannten Temporalen Stunden, die sich in zwölf Stunden lichter Tag (Astronomisch auch Tagbogen der Sonne genannt) und zwölf Stunden Nacht  unterteilen ließen. Die Zählung der ersten Temporalen Stunde begann entweder bei Sonnenauf- (lichter Tag) oder  Sonnenuntergang (Nacht). Bei dieser Einteilung fielen Mittag und Mitternacht jeweils auf die sechste oder siebte Stunde.  Da sich die Längen der Temporalen Nacht- und Tagstunden über den Verlauf des Jahres ändern (Sommer: längere Tagstunden, Winter: längere Nachtstunden) und nur zum Frühlings- und Herbstbeginn gleich lang sind (Tag-und-Nacht-Gleiche), hatte sich in der Neuzeit eine neue Einteilung durchgesetzt.

Mit der Verbreitung mechanischer Uhren löste man sich von der Sonne als wichtigsten Taktgeber der Zeiteinteilung und etablierte an gleicher Stelle eine Systematik, die unabhängig von der Jahreszeit, eine gleichbleibende Einteilung des Tages ermöglichte, die äquinoktialen Stunden. Nach der einheitlichen Tageseinteilung  rückte dann ein Problem in den Vordergrund, das sich durch die voranschreitende Technisierung ergeben hatte.

Menschen, die lange Wegstrecken auf dem Globus zurücklegten, mussten damit rechnen, dass sie auf ihrer Reise ständig ihre Uhren umstellen mussten, was im Wesentlichen an einem  Wirrwarr aus verschiedenen nicht verbindlichen (mittleren) Ortszeiten lag. Diese Ortszeiten richteten sich nach dem jeweils höchsten Sonnenstand im Tagesverlauf (Sonne im steht im Zenit bedeutet 12 Uhr). Eine Lösung musste her und wurde mit der Schaffung der Zonenzeiten gefunden. 

Im Jahr 1884 einigte sich die Weltgemeinschaft darauf, eine für alle gültige Weltzeit (Greenwich Mean Time – GMT) festzulegen. Als Nullpunkt beziehungsweise Nullmeridian legte man den durch Greenwich in England verlaufenden Meridian fest. Die GMT ergibt sich durch astronomische Messungen der mittleren Ortszeit am Nullmeridian in Greenwich. Für Deutschland gilt seit dem 1. April 1893 die Mitteleuropäische Zeit (MEZ), die um eine Stunde (+1 Stunde) von der GMT abweicht. Die im späteren Verlauf in Deutschland eingeführte Sommerzeit nimmt eine Änderung an der MEZ vor, wäre aber ohne deren vorgeschaltete Einrichtung kaum vorstellbar gewesen. Gleiches gilt selbstverständlich für die Einteilung des Tages in 24 Stunden als Bezugsgröße für das Vor- und Zurückstellen der Uhr an sich.

Doch wer hatte nun zuerst den von einigen als genial, von anderen wiederum als störend empfunden Einfall, die über den Jahresverlauf wechselnde Länge des lichten Tages als Grundlage für die Anpassung der Tageszeit zu verwenden und was waren die Gründe dafür?
Bereits mehr als 100 Jahre vor der Einteilung der Zeitzonen, im Jahr 1784, erklärte der US-amerikanische Staatsmann, Wissenschaftler und Erfinder, Benjamin Franklin, im Journal de Paris, dass „das ausgedehnte Nachtleben Energie durch künstliches Licht vergeude. Dagegen helfe früheres Aufstehen und Zubettgehen.“ Weitere Wissenschaftler verfolgten im Anschluss Ideen, die ebenfalls auf eine Anpassung der Tageszeit abzielten. Schlussendlich teilten sie jedoch alle das Schicksal Franklins, ihre Ideen zu Lebzeiten nicht gegen den Geist ihrer Zeit umsetzen zu können.  

Erstmals in hiesigen Breiten eingeführt wurde eine  Sommerzeit-Regelung am 30. April 1916 im damaligen Deutschen Reich sowie in Österreich-Ungarn. Der grundlegende Gedanke: Die Sommerzeit sollte den extensiven Energieverbrauch während des Krieges, gerade an langen Sommerabenden, einschränken. Andere europäische Länder einschließlich der deutschen Kriegsgegner Großbritannien und Frankreich übernahmen die Regelung der Sommerzeit kurz danach.

Im Jahr 1919, kurz nach Ende des ersten Weltkrieges, wurde die als Kriegsmaßnahme verpönte Zeitregelung durch die neu gegründete Weimarer Republik wieder abgeschafft, nur um knapp 20 Jahre später, zu Kriegsbeginn des zweiten Weltkrieges, wieder eingeführt zu werden. Die Gründe für die Wiedereinführung der Sommerzeit deckten sich dabei weitestgehend mit den Gründen, die bereits während des ersten Weltkrieges zu der Einführung der Zeitregelung führten. Hinzu kam jedoch ein weiterer ökonomischer Aspekt: Eine Stunde mehr Tageslicht bedeutete eine Stunde mehr Arbeitszeit in der Rüstungsindustrie.  

Die Nachkriegszeit war zunächst durch einen Flickenteppich an Zeitregelungen gezeichnet. In den westlichen Besatzungszonen galt die Sommerzeit während in der sowjetischen Besatzungszone und in Berlin die Moskauer Zeit Anwendung fand. Diese machte es notwendig, dass, wie der Name bereits verrät, die Uhren auf Moskauer Zeit, nämlich zwei Stunden vorgestellt werden mussten.

In den Jahren 1947 bis 1949 fand die bisher großzügigste Auslegung der Sommerzeitregelung auf deutschem Boden statt. In dieser Zeit wurde über die eigentliche Sommerzeit eine so genannte Hochsommerzeit gelegt. Diese sah vor, dass im Zeitraum 11. Mai bis 29. Juni die Uhren eine weitere Stunde, damit insgesamt zwei Stunden im Verhältnis zur Normalzeit (Winterzeit) noch vorne gestellt wurden. Als Begründung der Maßnahme diente einmal mehr das Argument der besseren Ausnutzung des Tageslichtes, allerdings erstmals ohne den Zusatz, dass diese Regelung kriegsentscheidend sei. Vielmehr musste die Bevölkerung in dieser Zeit weitestgehend auf wichtige Infrastruktur verzichten, die den Weltkrieg nicht überstanden hatte und war umso mehr auf eine helle Arbeitsumgebung angewiesen. 

In der Zeit von 1950 bis 1979 durfte der Zeiger der deutschen Uhren ohne Fremdzugriff rotieren. In Europa blieb die Sommerzeitregelung derweil in Teilen erhalten. Die Einführung der Mitteleuropäischen Sommerzeit (MESZ) - so wie wir sie heute kennen - wurde ab 1978 diskutiert und 1980 umgesetzt. Die Gründe für die Einführung der mitteleuropäisch-einheitlichen Sommerzeit lesen sich ähnlich wie das, was Benjamin Franklin bereits knapp 200 Jahre zuvor formuliert hatte. Die Hoffnung, durch die Umsetzung der Zeitregelung Energie zu sparen, stand im Mittelpunkt, sollte sich aber nicht einstellen. Zumindest nicht in dem Umfang, wie von den Zeichnern der Regelung erhofft.

Viel wichtiger war den beteiligten Ländern der Union die Harmonisierung des europäischen Binnenmarktes und des grenzüberschreitenden Verkehrs (Fahr- und Flugpläne). Letztgenannte Gründe zählen bis heute übrigens als Hauptgründe, die gegen eine Rücknahme der einheitlichen Sommerzeitregelung sprechen. Man stelle sich vor, die 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union würden unabhängig über ihre Sommerzeitregelung entscheiden. Das Resultat wäre schlimmstenfalls die Renaissance, oder härter formuliert, ein Rückfall in Zeiten eines postmodernen Flickenteppichs zeitlicher Regelungen.

Länder Europas, die nicht an der 1980er-Regelung teilnahmen, folgten nach und nach. Seit 1996 sind die Sommerzeitregelungen auf Ebene der Europäischen Union vollends vereinheitlicht. Ausgenommen bleiben Landesteile, die nicht auf dem europäischen Kontinent verortet sind (Beispiel: Französisch-Guayana).

 

Jens Wacker

Quellen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Sommerzeit

http://www.zeitumstellung.de/geschichte-der-sommerzeit.html

http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/zeitumstellung-die-geschichte-der-umstellung-auf-sommerzeit-a-1084021.html

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