Es gibt Morgenstunden, die es so gar nicht in sich haben. Gold im Mund schon gleich überhaupt nicht. Eher Blei. Der Tag ist trübe, das haben wir im Gefühl, denn das kann man eigentlich noch gar nicht wissen, weil es noch stockdunkel ist, die Schwerkraft schier unüberwindbar und die Aussicht auf den Tag alles andere als bunt. Und doch ist es Zeit, eben genau diesen Tag nun zu beginnen.
Eine Dusche, das übelgutgelaunte Morgenradioduo und mindestens drei Kaffee später muss unbedingt die Outfit-Frage für diesen eisig-grauen Wintertag geklärt werden. Dabei kann heute die Antwort auf diese immer gleiche Frage an jedem einzelnen Morgen den entscheidenden Unterschied machen. Denn nun ist zweifelsohne das Wohlfühl-Ensemble angesagt. Es müssen kuschelweiche Materialien sein, die statt des gemütlichen Betts der Haut schmeicheln sollen. Kaschmir wäre gut. Seide ginge auch. Aber der Wollpulli, den man nur mit hochgeschlossenem Shirt und viel Toleranz im Blut erträgt, kommt garantiert nicht in die engere Wahl. Heute darf auch nichts zwicken und einengen. Der super edle Blazer sieht zwar chic aus, und ist wirklich eines unserer Lieblingsteile, aber liefert nicht die lässige Grundhaltung, die wir aktuell auch nach der dritten Tasse Koffein nicht abgeschüttelt haben. Auch die Stiefelette muss dem Sneaker Platz machen. Und weil es so trübe um uns herum aussieht – vielleicht ist es auch nur das innere Auge, vor dem der Grauschleier wabert – sind der knallbunte Schal und die giftgrüne Handtasche die It-Pieces des heutigen Tages. Warum nicht?!
Make-up muss her. Und zwar mit akkurater Grundierung und Betonung der Augenbrauen und einem leuchtenden Rot des Lippenstiftes. Das soll von den Augenringen ablenken. Und tatsächlich sind die alten Tricks die besten. Ein wenig Rouge noch. Wie heißt es noch: Du kannst nackt am Frühstückstisch erscheinen, aber nicht ohne Rouge. Gut, nackt sowieso nicht, da die Temperaturen es zurzeit auch in der Spitze nicht auf über fünf Grad schaffen, und über dem Frühstückstisch ist im Moment das Licht gedimmt, um es besser ertragen zu können. Aber es erwarten uns ja noch andere Momente.
Während der Restaurierungsmaßnahmen hat uns ein weiteres Kaffeetäschen begleitet, was aber auch bis auf weiteres das Letzte bleiben sollte, damit der Lidstrich nicht furchterregend wird und wir insgesamt keinesfalls einen eher gehetzten Eindruck wie ein Koffeinjunkie erwecken wollen.
So! Jetzt einen Blick in den großen Spiegel. Zur Kontrolle! Ob auch die Anprobe, das Haarstudio und die Maske nicht nur ein einziger Traum des morgendlichen Wachkomas sind. Nein. Tatsächlich. Sieht richtig gut aus. Wir haben wieder einmal bestens funktioniert. An diesem trüben Morgen, den wir schlicht durch Be- und Verkleidung überlistet haben. Man sieht uns den schwerfälligen Start nicht an. Der nächste Teil des Tages kann nun ruhig kommen.