Perfekte Alternative

Von Zeit zu Zeit fallen Wörter oder Redewendungen auf, die besonders häufig im allgemeinen, im beruflichen oder im politischen Sprachgebrauch Verwendung finden. Sie sind Zeichen des Zeitgeistes oder fungieren
als allgemeingültige Verständigungsbasis. Leider ist letzteres häufig mit schwammiger Grundlage versehen, da die Wörter Interpretationsspielraum zulassen. Immerhin sind sie durch vielfachen Gebrauch zu Mode-
und Schlagwörtern verkommen, die mehr als Waffe, als Gesinnungszeichen oder als Füllsel eingesetzt werden. Der Gebrauch der Sprache und die Verwendung von Begriffen haben Einfluss auf unser Denken. Nehmen wir als Beispiel mal das Wort perfekt, das momentan eine regelrechte Hoch-Zeit erlebt. Der perfekte Tag, das perfekte Dinner, die perfekte Passform, der perfekte Lidstrich, der perfekte Urlaub, die perfekte Familie, die perfekte Frau. Perfektion ist also das Ziel. Weniger geht nicht. Versagen ist verboten und der zweitbeste Platz ist maximal zweite Wahl. Fehler sind katastrophal, da eben das Perfekte keine Fehler zulässt.
Perfektion verursacht bekanntlich nicht unerheblichen Stress und führt zu Unzufriedenheit, denn – sind wir mal ehrlich - wer von uns normalen Menschen ist schon tatsächlich perfekt? Unser Anspruch wird durch das inflationär gebrauchte Wort perfekt in unerreichbare Höhen transportiert, wenn wir zur Perfektion keine Alternative zulassen.

Und wenn wir selbst nicht perfekt sind, dann wollen wir uns mit Perfektion umgeben. Das ist die Lösung, denn dann liegt der Stress bei den anderen. Und halt, da fiel auch schon das zweite Wort, das in den vergangenen Monaten so häufig zum Einsatz kam und dabei quasi einem Missbrauch zum Opfer fiel: die Alternative.
Eine Partei trägt es sogar im Namen und führt seinen Sinn durch ihr Programm ad absurdum. Waren die Alternativen nicht einst auf der anderen Seite des politischen Spektrums angesiedelt, zeigten auch sie,
dass ihre Ideen letztlich nicht zu dem taugten, was sie versprachen. Sie waren nur für Teile der Gesellschaft und auch nicht für jeglichen Sachverhalt als Alternative tauglich. Doch auch die politische Mitte bemühte das
Wort, indem sie von der Alternativlosigkeit zu ihren Vorschlägen sprach und somit das linke und rechte Spektrum ausgrenzte. Na, und dann erst die alternativen Fakten, mit denen sich neue Regierungen präsentierten. Das Wort alternativ hat seinen kreativen, optimistischen Klang verloren. Und zwar gänzlich.

Wörter, die sich langsam, aber unaufhaltsam in alle Münder, alle Zeitungen, alle Diskussionen und alle Überschriften schleichen, sind gefährlich. Sie sind Floskeln und keine Zeugen durchdachter eigener Meinung.
Also Vorsicht bei ihrem Gebrauch und Vorsicht vor Menschen, die mit ihnen überzeugen wollen.

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