Helikopter-Eltern

Der Begriff Helikopter-Eltern wurde bereits 1969 als Metapher von dem israelischen Psychologen Haim G. Ginott in seinem Werk Between Parent & Teenager verwendet. Darin wird ein Heranwachsender zitiert: „Mother hovers over me like a helicopter… “ Entscheidend prägte die US-amerikanische Familientherapeutin Wendy Mogel 2001den Begriff Überbehütung.

Überbehütung oder Übervorsorge der Eltern gegenüber ihrem Nachwuchs ist ein Phänomen, das sicherlich nicht gänzlich neu ist, jedoch den Erziehungsstil einer immer größer werdenden Gruppe von Eltern beschreibt. Die Gründe dafür sind vielfältig und werden von der Fachwelt kontrovers diskutiert. Zum einen gilt bei Fachleuten die Verunsicherung der Eltern und ihre teils paranoiden Ängste, ihrem Kind könne etwas zustoßen, als ein maßgeblicher Faktor, das Kind geradezu zu überwachen. Handys und GPS laden mit technischen Mitteln dazu ein. Zum anderen wirke sich die Fokussierung auf ein Einzelkind später Eltern teilweise als exzessive Einmischung in die Angelegenheiten Heranwachsender aus. Der Kinderpsychiater Michael Winterhoff sieht das Problem auch darin, dass es den Eltern an Orientierung und Anerkennung mangele, so dass sich das Kind in seiner Erziehung als Kompensation anbiete. Die Eltern wollten und wollen noch heute glückliche und erfolgreiche Kinder haben, um sich selbst als kompetent im Projekt Familie erleben zu können. Die Prestigesucht der Eltern, häufig der Mutter, durch die Leistung des Kindes fand man früher bei so genannten Eislaufmüttern. Sie zwangen ihre Kleinen schon im zarten Alter zu Höchstleistungen – ob sie wollten oder nicht. Die überintensive Frühförderung und das gleichzeitige Fernhalten von Alltäglichem sind typisch für die Helikopter-Erziehung. Experten kritisieren dieses Verhalten und warnen vor unselbständigen, verunsicherten und lustlosen Kindern. Diese hätten nicht die Chance, sich selbst zu organisieren und eigene Erfolge auf ihr ganz persönliches Konto zu verbuchen. Sie lernen nicht, mit Niederlagen umzugehen, vor denen ihre Eltern sie ständig bewahren, und gehen somit nicht gestärkt aus Krisen hervor. Sprüche wie „Dazu bist Du noch zu klein“ oder „Das kannst Du noch nicht“ frustrieren und nehmen die Lust, Neues zu wagen. Helikopter-Eltern schwanken zwischen Über- und Unterforderung. Manche Psychologen sehen die Gefahren der Überbehütung in gleichem Maße wie die der Vernachlässigung mit Folgen wie Bettnässen, ADHS, Essstörungen bis hin zu Drogensucht.

Der Grat zwischen engagiert-besorgten und extrem überbesorgten Eltern ist oftmals schmal und der Übergang fließend. Dass jedoch jene besorgten Eltern als nervig und unangenehm von Experten wie Lehrer oder Erzieher wahrgenommen und verurteilt werden, wenn sie sich schützend in Streit- oder Stresssituationen vor ihre Kinder stellten, ist wahrscheinlich und verzerrt leicht das Meinungsbild. Eltern hatten es schon immer schwer, den richtigen Erziehungsstil zu finden, denn zu allen Zeiten gab es populäre Ansichten von Fachleuten, Freunden und Familie, wie die richtige Erziehung auszusehen habe – die jedoch im Laufe der Geschichte auch gerne ihre Richtung wechseln. Heute werden durch tägliche Reportagen, Meldungen, Dokumentationen und glatten Werbefotos Meinungsbilder produziert, die kaum zur Beruhigung taugen. Übertragen lassen sich solche stereotypen Standbilder ohnehin nicht, denn jedes Kind, jede Lebens- und Familiensituation ist anders - eben individuell. Eltern stehen unter einem erheblichen Druck und sind im Allgemeinen mit Ängsten, Unsicherheiten und einem schlechten Gewissen belastet. Ist es zu wenig oder zu viel des Guten, der Betreuung, der Förderung, der Aufsicht, der Zeit, die sie ihrem Kind widmen? Berufstätige Mütter sind ein Paradebeispiel für unbändige Gewissensbisse. Neben allen Selbstverwirklichungsträumen von Eltern ist ihre Verunsicherung wohl der Hauptgrund für die Helikopter-Erziehung, die durch ständige Ratgeber, Horrorszenarien in allen Bereichen und Vergleichen mit anderen Eltern noch befördert wird. Der gelassen-liebvolle Umgang mit den Kindern, zu dem beispielsweise der Reformpädagoge Wolfgang Bergmann rät, ist sicherlich der richtige – in der Theorie. In der Praxis muss er jedoch hin und wieder erlernt werden: In der eigenen Familie und nicht am Beispiel anderer.