Wirtschaftskraft Weinfest

Kaum etwas gehört so bedingungslos zur Pfälzer Lebensart wie die Weinfestkultur. Ein Weinfest vereinigt Genuss, Geselligkeit und Klima. Niemand – oder sagen wir: nahezu niemand - will auf die Weinfeste im Pfälzer Jahr verzichten. Weinfestkalender und Smartphone-Apps helfen den Überblick über die Vielzahl der Feste zu bewahren. Beinahe an jedem Wochenende finden in der Saison die Weinfeste gleich an mehreren Stellen statt. Fast jeder Ort begeht mindestens ein eigenes Fest, meist werden im Laufe des Jahres sogar mehrere Feste pro Gemeinde gefeiert.

Die Weinfeste haben sich über die Jahre ihren ganz eigenen Ruf und ihr spezielles Profil erarbeitet, so dass sie durchaus unterscheidbar sind. Sie haben sozusagen Charakter bei aller Vergleichbarkeit. Die Kriterien sind Musikauswahl, Tradition, Speiseangebote, Standgestaltungen, Weinproben- oder Schorlementalität, um nur einige zu nennen. Für viele Besucher ist die Erreichbarkeit ein Entscheidungsfaktor, ob ein Besuch eingeplant wird oder eben nicht. Besonders jüngere Besucher sind auf eine gute Nahverkehrsanbindung angewiesen und für manchen Autofahrer stellen die öffentlichen Verkehrsmittel eine empfehlenswerte Option dar. Manchmal sind es Feinheiten, manchmal jedoch auch Grundsätzlichkeiten, womit Weinfeste ihre Besucher anziehen. Ein Verharren in Althergebrachtem ist nicht zeitgemäß. An Festen, die unter dem Motto „Das haben wir immer schon so gemacht“ stehen, ziehen neue, andere oder verbesserte Konzepte vorbei. Hin und wieder müssen Kurskorrekturen in der Festplanung und –gestaltung vorgenommen werden, damit Sicherheit und auch Wirtschaftlichkeit gewährleistet bleiben. Unter dem Aspekt der Rentabilität werden so manche Traditionen gebrochen, oder positiv ausgedrückt: Sie werden weiterentwickelt. Schon längst

bilden nicht nur Bratwürste das kulinarische Angebot und Wein wird auch in Stilgläsern angeboten. In Pagodenzelten und um weiß behusste Tische drängt sich ein anderes Publikum als in Schunkelhöfen oder in Arealen, die von Coverbands unterhalten werden. Immer häufi ger wird neben dem Traditionellen, das nach wie vor seinen legitimen Platz einnimmt und keineswegs altbacken oder einfach daherkommen muss, auch ein kreatives, hochwertiges, vielleicht etwas feineres Qualitätsangebot nachgefragt: in Wein, Musik und Ambiente. Gut ist, wenn jeder Geschmack und Geldbeutel sein Angebot fi ndet. Denn Gespräche und Geselligkeit fi nden hier wie dort statt. Darin begegnet man dem verbindenden Element. Weinfeste haben den Status des Nachbarschaftsfests schon längst hinter sich gelassen, wenngleich es bei so manchen Weindörfchen an speziellen Tagen noch den Anschein haben kann. Dass mit den Weinfesten Geld verdient wird, ist offensichtlich und auch legitim. Die Risiken in Bezug auf Wetter und Besuchermenge und damit verbundener Waren- und Personaleinsatz sowie über die Festzeit geleisteter Arbeitsaufwand sind durchaus hoch. Ein respektabler Gewinn am Ende des Festes ist nicht nur wünschenswert, sondern auch notwendig, um sich für ein wirtschaftliches Engagement zu entscheiden. Nicht zu vergessen sind die Vereine, Kindergärten oder Interessengemeinschaften, die mit dem Verdienst eines Weinfeststandes die Aktivitäten vieler Menschen eines ganzen Jahres finanzieren helfen. Sie trifft es besonders hart, wenn just an diesem Wochenende das Wetter einfach nicht mitspielen will und die Besucher ausbleiben.

Professionelle Standbetreiber, Winzer oder Caterer nutzen darüber hinaus die Möglichkeit, sich in der Region einem breiten Publikum vorzustellen. Die Empfehlung als Weinort, als touristisches Ziel oder lebens- und liebenswerte Gemeinde steht von den Festplanern und Tourismusbeauftragten durchaus im Fokus. Sowohl Birkweiler Weinfrühling als auch das Gimmeldinger Mandelblütenfest, um nur zwei Beispiele zu nennen, ziehen Besucher aus ganz Deutschland und auch aus dem Ausland in die Pfalz. Sie gelten als Botschafter der Pfalz. Obwohl beide Feste nicht unbedingt miteinander vergleichbar sind, üben sie eine gleich hohe Attraktivität aus und verkörpern für Pfälzer und Nicht-Pfälzer das typisch Pfälzische. Was auch immer dies ist. Ira Schreck