Die rheinland-pfälzische Bildungslandschaft – ein Überblick

Die hiesige Bildungslandschaft kann auf den ersten und nicht selten auch auf den zweiten Blick recht unübersichtlich wirken. Eigenbegriffe für verhältnismäßig junge Schulformen, wie beispielsweise die Integrierte Gesamtschule, geben nicht immer direkt Aufschluss über den Aufbau, Inhalt und die bildungsorientierte Ausrichtung, die sich hinter dem Begriff verbirgt. In unserem Überblick beschränken wir uns dabei auf jene Schulformen, die auf die Grundschule aufbauen. Angebote, wie Berufsbildende Schulen oder Schularten des zweiten Bildungswegs, die nach der Pflichtschulzeit von neun Jahren ansetzen, beleuchten wir in der kommenden Ausgabe.

Die Grundschule: Aller Anfang ist leicht - erklärt

Kinder, die bis zum 31. August eines Jahres das sechste Lebensjahr vollenden, werden noch im selben Jahr mit dem beginnenden Schuljahr nach den Sommerferien schulpflichtig. Die Anmeldung der Kinder an der für sie zuständigen Grundschule erfolgt durch die Eltern und muss im Zeitraum August/September, ein Jahr vor dem eigentlichen Schulantritt, vorgenommen werden. Die Anmeldetermine werden von den Schulen festgelegt und den Eltern mitgeteilt.

Prüfung zusätzlicher Förderbedarfe, Kann-Kinder und Zurückstellung der Schulpflicht
Nach Eintritt in das Anmeldeverfahren wird geprüft, ob ein zusätzlicher Förderbedarf zum Beispiel im Bereich Sprachförderung besteht, der bis zum Eintritt in die Grundschule wahrgenommen werden muss. Kinder, die aufgrund ihres Geburtsdatums (vor dem 31. August eines Jahres) noch nicht als schulpflichtig gelten, können nach Entscheidung der Schulleitung als Kann-Kinder in die Schule aufgenommen werden, sofern „aufgrund ihrer Entwicklung zu erwarten ist, dass sie mit Erfolg am Unterricht teilnehmen werden“ (vgl. MWWK Rheinland-Pfalz 2010: 5). Ebenfalls möglich ist das Zurückstellen der Schulpflicht „aus wichtigen Gründen“ (ebenda). Die Zurückstellung kann von den Eltern beantragt werden und wird letztlich von der Schulleitung in Einklang mit dem Schularzt beschieden. Grund für eine Rückstellung der Schulpflicht sind beispielsweise umfängliche geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen. In diesen Fällen stellen Förderschulen ein Angebot dar, die nach Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs, genutzt werden können.

Aufbau, Bildungsangebot und Abschluss

Als erste Stufe des bundesdeutschen Schulsystems, die so genannten Primarstufe, stellen Grundschulen den Beginn des schulischen Lernens dar. Die Lernbereiche Mathematik, Deutsch, Sachunterricht, Integrierte Fremdsprachenarbeit, Religion/Ethik, Musik, Sport und Bildende Kunst und Textiles Gestalten/Werken (BTW) bilden den Kern des Bildungs- und Erziehungsauftrages der Grundschule.

Der Abschluss der Grundschule erfolgt mit dem erfolgreichen Besuch der vierten Klassenstufe. Bereits zum Halbjahr des vierten Schuljahres erfolgt seitens der Schule eine Empfehlung über den weiteren Schulbesuch des Kindes über die Grundschule hinaus. Die Empfehlung besitzt einen „beratenden Charakter und wird mit den Eltern besprochen“ (ebenda). Die finale Entscheidung über den weiteren schulischen Werdegang obliegt, unberührt durch die Empfehlung der Schule, ausschließlich den Eltern. Grundsätzlich berechtigt der erfolgreiche Abschluss der Grundschule dazu, jede Schulart der so genannten Sekundarstufe I zu besuchen.

Die Realschule plus – zugegeben, es wird komplizierter, aber auch facettenreicher

Aufbau, Bildungsangebot und Abschluss

Die Realschule plus ist der Sekundarstufe I zugeordnet und vereint die Bildungsgänge Berufsreife und Qualifizierter Sekundarabschluss I in sich. Es wird zwischen zwei Formen der Realschule plus unterschieden:  kooperativ und integrativ.

Die kooperative Realschule

In der kooperativen Realschule besuchen alle Schüler gemeinsam im Klassenverband die Orientierungsstufe, das sind die Klassen 5 und 6. Nach der Orientierungsstufe werden die Schüler in abschlussbezogenen Klassen unterrichtet, die auf den Abschluss der Berufsreife am Ende der 9. Klasse oder auf den Qualifizierten Sekundarabschluss I, am Ende der 10. Klasse, ausgerichtet sind.

Die integrative Realschule

Nach der Orientierungsstufe bleiben die Schüler entgegen der kooperativen Form der Realschule im Klassenverband zusammen, das heißt, es werden zunächst keine neuen abschlussbezogene Klassen gebildet. In einzelnen Fächern werden die Schüler aber „entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit differenziert“ (vgl. MWWK Rheinland-Pfalz 2010: 7), bleiben aber trotzdem insgesamt länger im Klassenverband der Orientierungsstufe organisiert.  Ab der 8. Klasse können auch bei der integrativen Realschule abschlussbezogene Klassen gebildet werden.

Ab der 6. Klasse werden in beiden Formen „die Wahlpflichtfächer Hauswirtschaft und Sozialwesen, Technik und Naturwissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung und die zweite Fremdsprache (in der Regel Französisch) angeboten“ (ebenda). Auf Grundlage individueller Neigung und Interesse wählen Schüler ein Fach der dargestellten Gruppe, das sie möglichst bis zur Klassenstufe 10 belegen. Alle Fächer folgen den Unterrichtsprinzipien Berufsorientierung, Ökonomische Bildung und Informatische Bildung. Über die genannten Fächer hinaus, könne Schulen auch noch weitere Wahlpflichtfächer anbieten, die das Bildungsangebot der Schule erweitern. Hierzu zählen beispielsweise Wahlpflichtangebote in den Bereichen Sport, Darstellendes Spiel oder Informatische Bildung.

Beide Formen der Realschule, also sowohl integrative, als auch kooperative Angebote, führen zu folgenden Abschlüssen:

  • Abschluss der Berufsreife nach erfolgreichem Besuch der Klassenstufe 9
  • Qualifizierter Sekundarabschluss I nach erfolgreichem Besuch der Klassenstufe 10

Einzelne Realschulen plus erweitern ihr Bildungsangebot um eine Fachoberschule, die über einen zweijährigen Bildungsgang zur Fachhochschulreife führt.

Realschule plus mit Fachoberschule

Aufbau, Bildungsangebot und Abschluss

Als ein Ergebnis der letzten Schulstrukturreform, ergänzt das Angebot der Realschule plus mit Fachoberschule seit 2011 die rheinland-pfälzische Bildungslandschaft.

Das Angebot der Realschule plus wird in der vorliegenden Form mit Fachoberschule um ein zusätzliches Angebot ergänzt, nämlich eine Oberstufe. In dieser haben die Schüler die Möglichkeit, binnen zwei weiterer Schuljahre, die sich an den Qualifizierten Sekundarabschluss I anschließen, die Fachhochschulreife zu erwerben. Im Anschluss daran besteht die Möglichkeit, die Berufsoberschule II zu besuchen, nach deren Abschluss nach einem zusätzlichen Jahr die Allgemeine Hochschulreife erworben werden kann, die gleichwertig mit dem Abitur an Gymnasien ist. Zentrale Voraussetzung für die Fachoberschule ist der Qualifizierte Sekundarabschluss I mit einem Notendurchschnitt von mindestens 3,0. Die Fächer Mathematik, Deutsch und Englisch dürfen in ihrer Einzelbenotung nicht schlechter als „ausreichend“ bewertet worden sein.

Die Fachoberschule umfasst zwei Schuljahre, oder wie es das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz nennt, einen „zweijährigen Bildungsgang, der Unterricht mit beruflicher Praxis verbindet“ (vgl. MWWK Rheinland-Pfalz 2010: 9). Im Klartext bedeutet das, dass Schüler nach dem erfolgreichen Erreichen des Qualifizierten Sekundarabschlusses I die gewählten Wahlpflichtangebote der Realschule plus weiter vertiefen können. Zur Wahl stehen dabei die Fachrichtungen:

  • Technik, Schwerpunkt Metalltechnik
  • Technik, Schwerpunkt Technische Informatik
  • Wirtschaft und Verwaltung
  • Gesundheit

Unabhängig von der gewählten Fachrichtung absolvieren die Schüler in der 11. Klasse an drei Tagen in der Woche ein „gelenktes Praktikum in einem Betrieb oder einer Verwaltung“ (ebenda). An die verbleibenden zwei Wochentagen in Klasse 11 und ab Klasse 12 nehmen die Schüler dann am Unterricht in der Schule teil. Abschluss nach Klasse 12: Fachhochschulreife. Danach besteht die Möglichkeit, eine Fachhochschule zu besuchen, oder in einer Berufsoberschule II, die Allgemeine Hochschulreife zu erreichen.

Die Haupt- und Realschule – gibt es (in der alten Form) nicht mehr

Im Zuge der rheinland-pfälzischen Schulstrukturreform wurden Haupt- und Realschulstandorte nach und nach bis zum Schuljahresbeginn 2013/14 in Realschulen plus überführt.

Die Integrierte Gesamtschule

Aufbau, Bildungsangebot und Abschluss

In der Integrierten Gesamtschule werden die Klassenstufen 5 bis 10 der Sekundarstufe I und die Jahrgangsstufen 11 bis 13 der Sekundarstufe II zugeordnet. Die Klassenstufen 5 und 6   (Orientierungsstufe) werden „als pädagogische und organisatorische Einheit geführt“ (vgl. MWWK Rheinland-Pfalz 2010: 13). Ab der 6. Klassenstufe belegen die Schüler wahlweise das Wahlpflichtfach Französisch oder Latein als zweite Fremdsprache oder „bildungsgangübergreifende Wahlpflichtfächer aus den Themenfeldern Arbeit und Wirtschaft, Naturwissenschaft und Technik, Handwerk und Künste sowie Gesundheit und Sport“ (ebenda). Alternativ können Integrierte Gesamtschulen aber auch den Katalog der Wahlpflichtfächer der Realschule plus (siehe Absatz „Die Realschule plus“) anbieten. Entgegen der Realschule plus findet nach Ende der Orientierungsstufe, ab Klasse 7, in den Fächern Deutsch, Mathematik, Fremdsprachen und später in den Naturwissenschaften eine Leistungsdifferenzierung statt, die in unterschiedlichen Kursniveaus mündet und auf die jeweils angestrebten Abschlüsse hinführt.

Zentrale Voraussetzung für die Aufnahme in eine Integrierte Gesamtschule ist der erfolgreiche Besuch der Grundschule. Übersteigt die Zahl der Anmeldungen die zur Verfügung stehenden Plätze der Schule, dann entscheidet die Schulleitung „aufgrund eines Auswahlverfahrens im Benehmen mit einem an der Schule gebildetem Aufnahmeausschuss“ (ebenda). Resultat ist eine Auswahl, die nach verschiedenen Leistungsgruppen differenziert und die per Losverfahren getroffen wird. Eine spätere Aufnahme in eine Integrierte Gesamtschule in den Klassenstufen 6 bis 10 ist „nur in Einzelfällen möglich“ (ebenda).

Folgende Abschlüsse sind an der Integrierten Gesamtschule möglich:

  • Abschluss der Berufsreife nach erfolgreichem Besuch der 9. Klasse
  • Qualifizierter Sekundarabschluss I nach erfolgreichem Besuch der 10. Klasse
  • Fachhochschulreife (schulischer Teil) nach erfolgreichem Besuch der 12. Klasse
  • Allgemeine Hochschulreife (Abitur)

Das Gymnasium

Aufbau, Bildungsangebot und Abschluss

Vorderstes Ziel der Schulform Gymnasium ist es, den Schüler zur Allgemeinen Hochschulreife zu führen.  Eine wissenschaftliche Grundbildung und Methoden, die zur Vorbereitung auf ein Hochschulstudium, aber ebenso für eine qualifizierte Berufsausbildung außerhalb der Hochschule notwendig sind, sollen vermittelt werden.

Gemessen an der Schulzeit, wird zwischen zwei Formen von Gymnasien unterschieden:

  • G9-Gymnasium
  • G8GTS-Gymnasium

Das G9-Gymnasium ist das vermeintlich bekanntere oder wahrscheinlich gewohntere der beiden Gymnasien. Es umfasst neun Klassenstufen, die letzten Endes zur Allgemeinen Hochschulreife führen. Die Klassenstufen 5 bis 10 werden der Sekundarstufe I, 11 bis 13 der Sekundarstufe II zugeordnet.

Beim G8GTS-Gymnasium werden die Klassen 5 bis 9 der Sekundarstufe I und die Jahrgangsstufen 10 bis 12 der Sekundarstufe II zugeordnet. Ab der 7. Klasse besuchen die Schüler das Gymnasium verpflichtend ganztägig (GTS=Ganztagsschule).

In der Sekundarstufe I wird der Unterricht wie auch bei den anderen Schulformen im Klassenverband erteilt. Ab der Sekundarstufe II werden Grund- und Leistungskurse gebildet, die den Klassenverband ablösen. Leistungsfächer sollen ein vertieftes Verständnis, spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln „und bereiten in besonderem Maße auf die Arbeitsweise an der Hochschule vor“ (vgl. MWWK Rheinland-Pfalz 2010: 17). Eine individuelle Schwerpunktsetzung ist möglich. Grundkurse flankieren die Leistungskurse und sollen eine breite Grundbildung sicherstellen.

In G9-Gymnasien haben Schüler, die nicht-altsprachliche Gymnasien besuchen, die Möglichkeit, „in den Klassenstufen 9 und 10 zusätzlich ein Wahlfach zu belegen: eine dritte Fremdsprache, Naturwissenschaften oder Informatik (je nach Angebot der Schulen)“ (vgl. MWWK Rheinland-Pfalz 2010: 15). In G8GTS-Gymnasien müssen alle Schüler der nicht-altsprachlichen Gymnasien in den Klassenstufen 8 und 9 ein Wahlpflichtfach belegen. Zur Auswahl stehen eine dritte Fremdsprache, Naturwissenschaften oder Informatik (je nach Angebot der Schulen).

Alle Schüler sind dazu verpflichtet, sich bei Eintritt ins Gymnasium für Englisch, Französisch oder Latein (je nach dem Angebot der Schule) als erste Fremdsprache zu entscheiden. Die Wahl der ersten, zweiten und gegebenenfalls dritten Fremdsprache ist unabhängig von der oder den in der Grundschule erlernten Fremdsprache(n). Die Reihenfolge der zu erlernenden Sprache wird auch dadurch bestimmt, welche erste Fremdsprache an dem jeweiligen Gymnasium angeboten wird.

Quelle: Bildungswege in Rheinland-Pfalz, Informationsschrift, MWWK - Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur (Hrsg.), 2010

Jens Wacker