Kommentar: Bei der Verkehrswende vorankommen

Der Verkehrskollaps in und um Ludwigshafen ist vorerst verhindert. Größere Baumaßnahmen werden nicht isoliert gesehen, sondern mit anderen zeitlich abgestimmt. So kann Schlimmeres verhindert werden. Der oft gehörte Vorwurf, Straßen und Brücken seien über Jahre und Jahrzehnte kaputtgespart worden, greift zu kurz. Klar, manche Probleme hätte man früher erkennen und angehen können. Und so mancher politisch einst Verantwortliche wird froh sein, dass Nachfolger sich nun um die Misere kümmern müssen. Denn beliebt macht man sich mit unliebsamen Entscheidungen sicher nicht. So war auch die Anzahl der Bewerber überschaubar, als in Ludwigshafen nach einem neuen Baudezernenten gesucht wurde. „Der Neue“ hat, ebenso wie seine Oberbürgermeisterin, eine Vielzahl von Baustellen geerbt, allen voran das Rathauscenter und natürlich die Hochstraßen. Was einst als modernes städtebauliches Wunder gefeiert und zuletzt von mehr als 100.000 Kraftfahrzeugen täglich befahren wurde, ist längst marode und teilweise bereits abgerissen.

Teil der Wahrheit ist aber auch, dass die in den 1950er Jahren konzipierten Bauwerke für ganz andere Verkehrsaufkommen geplant wurden. Wenn man bedenkt, wie sich der Verkehr seit Fertigstellung der Hochstraße Nord (1981) entwickelt hat, sollte klar sein, dass dies zwangsläufig zu einem erhöhten Verschleiß und einer kürzeren Lebensdauer führen muss. Es lohnt sich, alte Filmbeiträge anzuschauen. Da sind Autos wie der Käfer und vielleicht noch eine Isetta zu sehen. Die haben aber ganz andere Größen und Gewichtsklassen wie die heutigen Boliden, etwa die beliebten SUV. Eine ähnliche Entwicklung gab es im Lastverkehr. Wo einst schnuckelige Pritschenwagen unterwegs waren, bahnen sich heute 44-Tonner ihren Weg durch die Stadt. Die damit verbundene Belastung für Brücken und Straßen entspricht dem, was 230.000 Autos von der Größe eines VW Sharan verursachen, rechnen Ingenieure vor. Zwar hat die Eröffnung des Kombiterminals im Norden sowie Sperrungen der Hochstraßen für den Schwerlastverkehr für Entlastung gesorgt. Am grundsätzlichen Problem ändert sich aber nichts. Der Verkehr fließt weiter, nur eben über andere Strecken.

Was also wäre zu tun? Die vielbeschworene Verkehrswende muss, befeuert durch hohe Spritpreise, endlich vorankommen – auf allen Ebenen, bei allen Verkehrsmitteln. Ein Umdenken muss stattfinden, auch in der Wirtschaft. Schon die Corona-Pandemie hat die Grenzen der Globalisierung mit ihren langen Lieferwegen aufgezeigt. Jeder unnötige Transport muss vermieden werden. Es kann nicht sein, dass etwa Schlachtvieh von Portugal nach Polen gekarrt wird, nur weil dort die Löhne noch niedriger sind, und dann das Fleisch billigst bei uns im Supermarkt landet. Und hier sind wir bei uns Verbrauchern angelangt: Warum müssen wir jeden – Verzeihung! – Mist im Internet bestellen? Können wir nicht schauen, dass wir wieder vor Ort einkaufen? Damit unterstützen wir unsere Geschäfte in der Innenstadt und tragen dazu bei, dass diese nicht verwaist. Und müssen wir wirklich schon im Januar Erdbeeren aus Spanien haben, Frühkartoffeln aus Ägypten oder Stangenspargel aus Chile? Zudem sollten Radfahrer nicht mehr ihr Leben riskieren müssen, wenn sie es wagen, auf „normalen“ Straßen zu fahren. Und wenn dann auch noch Bus und Bahn attraktiver gemacht und bestehende Angebote ausgebaut werden, könnte sich die Verkehrslage dauerhaft entspannen.