Drei Grazien

Ein Fall für Kostas Charitos

Als Kostas Charitos, der Kommissar aus Athen, mit seiner Frau Adriani seinen Urlaub genießt, macht er die Bekanntschaft von drei befreundeten Frauen, die sich dem Paar anschließen. Gemeinsam werden Ausflüge unternommen, die Urlaubsabende verbracht und aus der angenehmen Bekanntschaft entwickelt sich eine zarte Freundschaft, die sich auch nach dem Urlaub fortsetzt.

Zurück im Polizeipräsidium hat Kostas nicht allzu lange Zeit, die personellen Umstrukturierungen zu verdauen. Übergangsweise soll er die Position seines Vorgesetzten vertreten, der vorzeitig in den Ruhestand geht. Kostas wittert seine Chance zum Karrieresprung und arbeitet mit hoher Akribie an den Mordfällen, die sich rund um die Universität ereignen. Dort scheint einiges im Argen zu liegen. Besonders brisant dabei ist der Umstand, dass die Mordopfer ehemalige Professoren mit politischer Karriere sind. Und irgendwie drängen sich die drei Grazien aus dem Urlaub ständig ins Bild…

Der Krimi aus dem heutigen Griechenland zeigt die gesellschaftliche Zerrissenheit vor dem Hintergrund der Finanzkrise. Das Selbstverständnis der Griechen, das unangenehme Dahinschwinden eines Jahrzehnte alten komfortablen Sozialnetzes und die nur zu menschliche egoistische Seite der Raffgier führen dem Leser deutlich die Dissonanz einer Gesellschaft vor Augen, die um Normalität und Bewahrung des ehemals funktionierenden Systems bemüht ist. Nicht fehlen darf natürlich, dass Deutsche den Anstoß zum Kippen des Gleichgewichts gegeben haben. Auch wenn es das Drachenfliegen von deutschen Touristen in diesem Fall ist, symbolisiert es doch die skurrilen Schuldzuweisungen in seiner simplen, weit hergeholten, aber nützlichen Argumentation. Sind es doch die Anderen mit ihrer überheblichen Leichtigkeit, die das alte, zu bewahrende Gute ins Wanken bringen, so das gedankliche Feindbild. An einigen Stellen, und immer präziser, lässt Autor Petros Markaris seine Protagonisten über die Veränderungen der Gesellschaft Griechenlands nachdenken und philosophieren.

Das Hadern mit der momentanen Entwicklung, was die Abkehr von der alten griechischen Philosophentradition hin zum Schwatzhaften und Kommerziellen beinhaltet, ist nicht nur angedeuteter Leitfaden, sondern offensichtlicher Ausdruck: „Gelehrte sind Menschen, die ihr Leben in Bibliotheken, mit Studien und wissenschaftlicher Arbeit verbringen. Intellektuelle sind Spezialisten für alles und jedes. Gelehrte verfügen über Wissen, Intellektuelle über eine Meinung, die sie gerne und bei jeder sich bietenden Gelegenheit kundtun. […] Und dazu kommt der Lustgewinn beim Sich-selbst-reden-Hören.“

Treffend beschreibt Markaris das Bemühen, gesellschaftliche Veränderungen zu verhindern: „In meinen Studienjahren hat man protestiert, um das Regime zu ändern, den Polizeistaat abzuschaffen, mehr Demokratie zu wagen… Heute dienen all die Märsche und Kundgebungen nur dazu, möglichst nichts zu verändern. Also nehme ich teil und verfolge die Sache in der  - bisher vergeblichen – Hoffnung auf eine Veranstaltung, die einen Wandel einfordert.“

Das gilt nicht nur für Griechenland, wie man auch aus Deutschland und anderen Ländern beobachten kann.

Der Krimi Drei Grazien von Petros Markaris ist wegen seiner Gegenwartsanalyse, die sich nicht nur auf Griechenland beschränkt, sehr lesenswert. Die eigentliche Krimihandlung und die vielen kleinen Nebenstränge dekorieren jeweils nur seine Gesellschaftbetrachtung.

Drei Grazien
Petros Markaris
Diogenes Verlag
ISBN 978-3-257-07041-5

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