Man müsste mal...

„Da muss man sich mal zusammensetzen.“ „Man sollte das besser organisieren.“ „Man glaubt fest, dass es gut geht. Aber dann ist man enttäuscht.“ „Wenn man so aussieht, wird man gehänselt.“

Wahrscheinlich ist es jedem schon einmal passiert, dass beim Erzählen vom verbindlichen Ich in das vage man gewechselt wurde. Mehr und mehr verwenden Erzähler auch ein seltsames Du in ihren Geschichten, ohne tatsächlich ihr Gegenüber zu meinen. „Auch wenn Du in großen Höhen fliegst, ist es besser, wenn Du die ganze Zeit angeschnallt bleibst.“ „Du kannst dich einfach nicht entscheiden, wenn Du die großartige Speisekarte vor dir hast.“

Es gibt für alles eine Studie. Die Sprache ist ein Spiegel unserer Gesellschaft und unseres eigenen Seelenlebens. Daher verwundert es nicht, dass Wissenschaftler so interessiert zuhören, wenn das Volk spricht. Und das Volk spricht nicht aus einem Mund, sondern aus vielen unterschiedlichen Mündern, die so manches offenbaren, was der Mensch vielleicht gar nicht ausdrücken will, aber eben doch sagt. Bei genauem Zuhören wird klar, worum es beim Gesagten geht.

Drei Wissenschaftler der University of Michigan haben dem Phänomen nachgespürt, warum Erzähler in ihren Geschichten so häufig vom Ich zum man – manchmal auch zum undefinierten Du - wechseln. Sie fanden heraus, dass das Ablenken vom Ich zum verallgemeinernden man ein Lossagen von Verantwortung ist. Der Sprecher hat zwar eine gute Idee, die er oder sie auch kundtun möchte, aber will für deren Umsetzung nicht zur Verfügung stehen. Auch einer Kritik bei Nichtgelingen wird damit der Wind aus den Segeln genommen. Denn schließlich war man dafür verantwortlich und nicht Ich. Eine Verallgemeinerung ist nicht selten auch die Suche nach breiter Zustimmung. Wenn man das macht, dann ist es ein Zeichen für eine breite Masse. Man steht in diesem Fall nicht für die anderen, sondern ist ein Synonym für jeder oder alle. „Das weiß man doch, das ist allgemein bekannt.“ Das Ich als Teil des kollektiven Gewissens und Wissens anzusehen, ist bequem und ein gutes Alibi für alle Ansichten und Entscheidungen.

Doch dann fanden die Wissenschaftler einen weiteren Grund für den Perspektivenwechsel in den Erzählungen heraus: Wenn es peinlich oder unangenehm wird, wenn das Ich traurig oder enttäuscht ist, dann lenkt das Ich auf das man um. Damit werden die Gefühle allgemeingültig, gerechtfertigt und die Normalität ist wieder hergestellt. Ein psychologischer Kniff, der es möglich macht, etwas zu sagen, ohne viel preiszugeben. Der Sprecher kann auch für negative Gefühle eine breite Akzeptanz in seiner Umgebung finden.

Das Gleiten vom Ich zum erzählerischen Du hat nicht selten etwas Besserwisserisches. Hier spricht der Erfahrene! Auch hier wird unter dem Deckmäntelchen des UnverbindlIchkeits-Trick ungefragt Wissen weitergegeben. Mehr noch als das man ist das Du eine Absicherung des eigenen Handelns und der eigenen Denkweise im Sinne der Allgemeingültigkeit. Und doch bleibt wieder alles Gesagte unangreifbar im Vagen.

Wie soll man damit umgehen? Wie kann man das ändern? Gar nicht, es sei denn, der Sprecher beginnt wieder über sich selbst, seine positiven oder negativen Gefühle, seine Verantwortung direkt zu sprechen. Oder er lässt es einfach sein, wenn er oder sie sich nicht äußern wollen.

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