Ganz passsend

„Ich heiße Lars Kaufmann“, sagte der Mann zu Lena. Sie schaute ihn an, stellte sich automatisch vor, plauderte wie gewohnt und dachte dabei, dass sie sich nicht erinnern konnte, ihn während des Empfangs bemerkt zu haben. Er betrachtete sie aufmerksam und lächelte ein ehrliches, offenes Lächeln, ohne seltsame Absichten dabei zu verfolgen. Das Lächeln war etwas Besonderes an ihm. Es irritierte sie. Heimlich betrachtete sie ihn genauer.

Er war etwas größer als sie. Nicht dünn, nicht dick, nicht alt und auch nicht jung. Seine Haarfarbe lag irgendwo zwischen blond und braun. Die Frisur hätte sie nicht beschreiben können und wenn sie die Augen schloss, konnte sie nicht mehr sagen, wie er gekleidet war. Noch nicht einmal seine Augenfarbe fi el ihr ein, obwohl dieses Lächeln doch so eindrücklich gewesen war. Sie unterhielten sich noch eine Weile und er erzählte von sich, seinem letzten Urlaub und auch von seinem letzten Möbelkauf. Lena erfuhr, dass er in einer Siedlung wohnt, in der ein Haus dem anderen glich. Die Möbelspedition hatte nämlich Schwierigkeiten beim Finden der richtigen Lieferadresse gehabt.

Sie hatte schon seinen Namen vergessen, aber weil ihr dies peinlich war, fragte sie nicht nach. Er war ihr nicht unsympathisch und auch nicht unangenehm. Trotzdem war es Lena ein ausgesprochenes Rätsel, warum er für sie so gesichtslos blieb. Er hinterließ, abgesehen von diesem seltsamen Phänomen, bei ihr überhaupt keinen optischen Eindruck. Sie wollte sich Mühe geben, Interesse zeigen und erkundigte sich nach kleineren persönlichen Dingen wie Musikgeschmack, Sport und dererlei Smalltalk-Themen.

Er erzählte von einem Konzert, wo er eine Frau getroffen hatte, die ihm offensichtlich gefallen hatte. Lena hakte amüsiert nach. Sie fand es außergewöhnlich, aber komischerweise trotzdem nicht befremdlich, dass ein ihr fremder Mann über eine Begegnung mit einer anderen Frau sprach. Er kam ins Schwärmen und berichtete von ihrem zufälligen Treffen, der Situation und was sie gesprochen hatte. „Wie sah sie denn aus?“, fragte Lena und er lächelte wieder das schöne Lächeln, das jetzt sogar noch etwa herzlicher ausfiel. „Fantastisch!“, sagte er und Lena war gerührt von seiner Offenheit. Sie sei etwa so groß wie er, nicht so ein entsetzlich magersüchtiger Stecken, sondern eine richtige Frau – in dem Alter, in dem eine Frau wisse, was sie wolle. Ihre Haare vereinten alle Nuancen in einem lebendigen Farbspiel. Die Frisur sei schulterlang und ohne Wellen. Ihre Augen schimmerten je nach Licht mal hell, mal dunkler. Sie sei fein und dezent gekleidet, so dass nicht die Kleidung sondern sie selbst zum Ausdruck kam. Und wenn sie lachte, sei einem, als ob die Sonne aufgehe. „Und stellen sie sich vor, sie wohnt ganz in meiner Nähe“, sagte er.

Besser könnte es nicht passen, dachte Lena und ihr fiel der Vergleich mit dem Topf und dem Deckel ein.