Der Zauber im Kraut

Auf der Wunschliste aller Menschen steht die Gesundheit wie selbstverständlich ganz weit oben. Denn was bedeuten alle Güter dieser konsumfreudigen Gesellschaft ohne Gesundheit? Das Gesunde und Heile ist seit Menschengedenken ein Synonym für das Gute. Doch die Welt teilt sich bedauerlicherweise in Gut und auch in Böse. Das Böse wird jeher gleichgesetzt mit Elend, Kummer - und Krankheit. Unsere Vorfahren - und nicht nur sie - schoben Krankheiten dem Teufel und den Dämonen zu, die die Menschheit geißelten oder sie für ihre Vergehen und Sünden bestraften.

Heilung war folglich die Vertreibung des Bösen und schon war der Schritt zu Hexen, Geistervertreibern und Zauberern geebnet. Sie, die Kräuterhexen und Heiler, verstanden ihr Handwerk mittels ausgesuchter Pflanzen, Naturheilkunde und gesundem Menschenverstand mit einigen Tricks, Zeremonien und fein ersonnenen Sprüchen zu garnieren, so dass sich ihre durchaus entwickelnde Macht über die Menschen verfestigte und ihr Können okkulte Züge erhielt. Sie waren häufig erfolgreich, was ihnen ein gewisses Ansehen einbrachte.

Man rief sie, weil man sie brauchte. Aber sie waren den Menschen unheimlich, da sie offensichtlich mit dem Bösen kommunizieren konnten und das Wohl und Wehe der Menschen scheinbar nun in ihren Händen lag. Außerdem drangen sie in die Nähe anderer machtversessenen Menschen ein: dem Klerus. Obwohl sie wegen der Angst der Kirchenleute und der Bevölkerung gejagt, verurteilt und getötet wurden, suchte man - heimlich - ihre Nähe, wenn der Krankheitszustand bedenklich wurde. Die Medizin des Mittelalters war eher von Weltanschauung und Kirche als von Wissenschaft geprägt und erschien in einigen Fällen nicht sonderlich kompetent, was ihre Kernaufgabe anging.

Noch heute vertrauen viele Menschen der Naturheilkunde weitaus mehr als der Schulmedizin. Letztere ist zu einem nicht geringen Anteil an wirtschaftlichen Aspekten ausgerichtet und geht in ihrer Verfahrensweise häufig keulenartig statt sanft vor. Die Wahrheit, welche Medizin, ob konventionelle Schulmedizin oder die Homöopathie, wem bei welcher Krankheit inwieweit helfen kann, ist individuell zu klären. Dazu existiert keine allgemeingültige Schreibweise. Den Heilpflanzen wird noch heute häufig von einigen Menschen eine Kraft zugeschrieben, die über die Chemie hinausreicht. Besonders wirksam sollen diese werden, wenn noch einige Faktoren beachtet werden: Zeitpunkt der Ernte, die Rührrichtung beim Kochen des Suds, Sprechen mit der Pflanze und andere aus der Vergangenheit übertragene scheinbar logische Handlungen. Im Volksglauben galten Heilkräuter als beseelte Wesen oder gar als Sitz eines Pflanzengeistes, den es anzusprechen galt, bevor man das Kraut ausgrub oder pflückte.

Man sollte ihm mitteilen, welches Leid er lindern sollte und ihn schon mit Vorschusslorbeeren überschütten. Tatsächlich hält sich der Glaube bei einigen Pflanzenliebhabern und auch bei manchen Winzern, dass das Besprechen der Pflanzen - im Weinberg beim Schneiden und bei der Lese - eine förderliche Wirkung habe. Wie erwähnt, handelt es sich hierbei um einen Glauben. Sicherlich ist anzunehmen, dass jemand, der mit Pflanzen spricht, sie in seiner buchstäblichen Handhabung pfleglich behandelt (besondere Betonung liegt dabei auf Hand und damit die eigentliche Handlung, die der Pflanze entgegengebracht wird). Wenn dabei gesprochen wird, wird das der Pflanze wahrscheinlich nicht unangenehm sein. Weitere rituelle Handlungen wie das Spielen von speziell ausgesuchter Musik für bestimmte Pflanzen oder deren Produkte, Düngen mit bei Sonnenaufgang gepflücktem Löwenzahn (dann ist im Löwenzahn die größte Menge Sonnenenergie gespeichert) und ähnlichem zeigen nur die Sorgfalt und den Respekt, mit der das Naturprodukt verarbeitet wird.

Ganz selbstverständlich und nicht mehr der Rede wert erscheint dann die Erledigung von Dingen wie Wässern, Temperaturregulierung und Schnitt. Ob dieser Vorgehensweise nun Naivität, tiefste Überzeugung, der Wunsch nach Naturnähe, Aberglaube oder schlichtweg ein Marketingaspekt zugrunde liegt, ist unterschiedlich, letztlich nur für den einzelnen von Bedeutung und nicht schädlich - solange keine Mission daraus erwächst