Die Deutsche Waldesliebe

Um Wälder ranken sich seit Urzeiten Mythen und Legenden. Kaum eine andere Form von Landschaft inspiriert Menschen seit jeher zu derart mannigfaltigen künstlerischen Ausdrucksweisen, die in Gedichten, Bildern und Liedern ihren Ausdruck finden. Wälder sind aber auch ein Ort der Geschichte und Bühne für die ein oder andere historische Schlacht, deren konservierte Überreste im Waldboden die Jahrtausende überdauern.Am liebsten ist uns jedoch der Wald, wenn er unsere Freizeitgestaltung mit Leben füllt, oder wenn wir uns an einem schönen Möbelstück erfreuen dürfen, das aus kontrolliert nachwachsenden Holzbeständen und mit Liebe zum Werkstoff erstellt wurde. Natürlich ist Wald in erster Linie ein Naturraum, den es zu schützen gilt. Dennoch erfährt er, seit es Menschen gibt, einen gewissen Nutzungsdruck, der in der Moderne vor allem durch die Bereiche Holzwirtschaft und Waldtourismus in seiner Intensität bestimmt wird. Eines ist schon an dieser Stelle klar: Wald ist weitaus mehr als ein Ort, an dem Geschichte(n) geschrieben wurde(n).

Wirtschaftsfaktor Waldtourismus

Immer dann, wenn ein hoher Versiegelungsgrad und eine hohe Baudichte unseren Siedlungen den Anstrich eines weitgehend naturbefreiten Raumes verleihen, sehnt sich Volkes Seele nach einem Stück unverbautem Freiraum, nach mit allen Sinnen erlebbarer Natur und nach Ursprünglichkeit. Doch mit der Ursprünglichkeit und Natürlichkeit ist das so eine Sache. Wie hoch darf der Grad an Ursprünglichkeit einer Fläche sein, damit diese nicht mit touristisch genutzten und teilweise überformten Bereichen in Konkurrenz tritt? Wie viel Wald sollte ungenutzt und unbetreten bleiben, damit Wildnis ohne naturferne Störquellen existieren kann? Klar ist, so etwas wie einen Urwald, ein im Laufe der Menschheitsgeschichte stets unberührtes Stück Naturgeschichte, gibt es nicht mehr.

Klar ist aber auch: Ein als aufgeräumt und sauber empfundener Wald hat mit dem, was Wald seit Jahrtausenden auszeichnet, nicht viel zu tun. Denn Menschen haben den Wald durch Bewirtschaftung ständig umgeformt und nachhaltig verändert – je nach Nutzungsdruck und -grad mal mehr und mal weniger. Touristische Aktivitäten im Wald sind immer das Resultat eines Kompromisses aus der Wahrung naturschutzrechtlicher Belange und Grenzen und einem gestiegenen Interesse, den Wald zur eigenen Freizeitgestaltung zu nutzen (Stichwort: Sanfter Tourismus).

Die Ergebnisse der Abwägung müssen regelmäßig und ergebnisoffen überprüft werden, um auf Änderungen im Nutzerverhalten und auf Trends, aber auch auf Schutzziele des Umweltschutzes, Rücksicht zu nehmen. Der Pfälzerwald ist das größte zusammenhängende Waldgebiet der Bundesrepublik Deutschland und erstreckt sich über eine Gesamtfläche von 179.000 Hektar. Er ist ein beliebtes Ausflugsziel für alle Altersgruppen und alle Bevölkerungsschichten. Die Anfänge des Tourismus im Pfälzerwald reichen laut einer Veröffentlichung des Tourismusleitbilds Pfälzerwald aus dem Jahr 2006 des Vereins Naturpark Pfälzerwald e.V. bis in die letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts zurück. Reisen sei zu jener Zeit noch ein Privileg des Bürgertums gewesen. Einen ersten Aufschwung habe der Tourismus vor allem zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfahren. Während der fortschreitenden Industrialisierung in den Räumen Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg und durch die Einführung der Sechs- Tage-Woche suchten und fanden die Menschen im Wald einen Ausgleich zu ihrer Arbeitsalltag.

Der erste Pfälzerwald- Verein wurde im Jahr 1902 gegründet, weitere Naturfreunde- Gruppen folgten. Zu dieser Zeit wurde die Ausweisung von Wanderwegen forciert, sowie Häuser und Hütten imWald errichtet. Außerdem führten erstmals organisierte Touren durch den Pfälzerwald. Eine neue Dynamik erreichte der Tourismus in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Ein wachsender Anteil der Bevölkerung leistete sich Urlaubsreisen und bevorzugte größtenteils Reiseziele im Inland. Aus dieser Zeit stammt der größte Teil der heute vorhandenen touristischen Infrastruktur. Neben Land- und Forstwirtschaft, dem Weinbau und der holzverarbeitenden Industrie ist der Tourismus nach dem Urteil des Naturpark Pfälzerwald e.V., der 2015 ein neues Tourismusleitbild für den Pfälzerwald verfasst hat, eine der tragenden wirtschaftlichen Säulen im Pfälzerwald und an der Weinstraße.

Die Einnahmen aus dem Tourismus verteilen sich auf unterschiedliche Branchen. Von den Tages- und Mehrtagesreisenden profitieren vor allem der Einzelhandel, die Gastronomie, der Beherbergungssektor sowie der Unterhaltungs- und Sportbereich. Die ökonomische Bedeutung des Tourismus lässt die eingangs geäußerte Behauptung, dass es sich bei dem Pfälzerwald um ein beliebtes Ausflugsziel handelt, greifbar werden und errechnet sich aus den Übernachtungszahlen und den Zahlen der Tagesgäste sowie aus den durchschnittlichen Tagesausgaben. Diese liegen in der Pfalz laut Naturpark Pfälzerwald e.V. bei 30,40 Euro (Tagesgäste) und 80,10 Euro (Übernachtungsgäste). Der touristische Bruttoumsatz in den Städten und Gemeinden, die ganz oder teilweise im Naturpark Pfälzerwald liegen, beträgt 1,27 Milliarden Euro. 671 Millionen Euro des Umsatzes werden innerhalb der Region zu Einkommen, was circa 29.800 Vollzeitarbeitsplätzen entspricht. 2,5 Prozent des Netto-Primärumsatzes aus dem Tourismus fließen in die kommunalen Haushalte.

Wirtschaftsfaktor Holz

Das Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten Rheinland-Pfalz (MUEEF) bezeichnet auf seiner Internetseite Holz als „einer unserer wichtigsten einheimischen Rohstoffe.“ Zentrale Ziele der hiesigen Holzwirtschaft sind laut Ministerium die ausreichende Produktion von Holz, um den Bedarf der Bevölkerung zu decken, damit „umweltbelastende Importe von Holz“ nach Möglichkeit minimiert werden können und die „Sicherung eines bedeutenden Wirtschaftszweigs“, der in Rheinland-Pfalz circa 21.600 Menschen beschäftigt.57 Prozent und damit der Bärenanteil des Pfälzerwaldes befinden sich im Besitz des Bundeslandes (Staatswald). Zu etwa 30 Prozent sind Kommunen die Eigentümer, zehn Prozent der Waldfläche sind im privaten Besitz. Die Stadt Neustadt an der Weinstraße verfügt mit circa 4.800 Hektar über den größten Stadtwald in Rheinland-Pfalz und ist damit nicht nur der größte kommunale Waldeigentümer, sondern stellt auch den größten gemeindeeigenen Forstbetrieb im Bundesland.

Teilt man die Gesamtfläche des Waldes in Zonen auf, die man aufgrund der diversen naturräumlichen Gestalt und Nutzung unterscheiden kann, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass 75 Prozent der Gesamtwaldfläche (134.000 Hektar) tatsächlich auch dicht bewaldet sind. An die bewaldeten Teile schließen sich Übergangs- und Grenzzonen an, die ebenfalls zur Waldfläche gezählt werden. Hierzu zählen Wiesentäler und Äcker genauso wie ein großer Teil der Weinanbauflächen im Bereich der Deutschen Weinstraße (rund 10.000 Hektar).

Gleichwohl man den Pfälzerwald als artenarmen Buchen- Eichenwald einstuft, zeigt sich der Bestand des Waldes weitaus diverser, als es die Klassifizierung zunächst vermuten lässt. Jede Zeit, jede Form wirtschaftlicher Entwicklung wirkt unterschiedlich auf den Wald ein. Der Zustand und die kleinteilige Zusammensetzung des Waldesist deshalb nur eine Momentaufnahme. Aktuell wird der Pfälzerwald vor allem durch 49 Prozent Kiefern, 20 Prozent Buchen, elf Prozent Fichten und acht Prozent Eichen geprägt. In Waldrandlage schließen sich ebenfalls landschaftsprägende Kulturpflanzen wie beispielsweise die Kastanie an. Im ganzen Bundesland werden über das Jahr hinweg drei Millionen Festmeter Holz eingeschlagen. Der Preis, der für den Festmeter zu entrichten ist, bemisst sich nach der Qualität und Seltenheit des Holzes, sowie nach den marktspezifischen Möglichkeiten zur Weiterverarbeitung.

Das angebotene Holz stammt dabei stets aus einer nachhaltigen Produktion. Was nachhaltig ist, regeln die Waldgesetzgebung und Zertifikate, die eine Dokumentation der nachhaltigen forstwirtschaftlichen Arbeit voraussetzen. Der Neustadter Stadtwald ist beispielsweise seit 2002 Forest-Stewardship-Council (FSC) zertifiziert und wird ökologisch bewirtschaftet. Im Zuge der Zertifizierung wurden 354 Hektar (entspricht circa 7,5 Prozent der Gesamtfläche des Stadtwaldes) aus der forstwirtschaftlichen Nutzung heraus genommen und bleiben der natürlichen Entwicklung vorbehalten.

Quellen: www.pfaelzerwald.de / Tourismusleitbild Pfälzerwald und www.mueef.rlp.de

Jens Wacker