Jung geblieben

Kürzlich machte ich am Flughafen die Bekanntschaft eines Herrn, der mir in buntem Regenbogen-Shirt mit aufgedrucktem Peace-Zeichen entgegentrat. Weiße Schlabberhosen, Zehentreter und wallendes Resthaar inklusive. Der Anblick verblüffte mich dann doch, denn das Gesicht des Herrn verriet, dass er schon einige, um nicht zu sagen viele Sommer lang in der Sonne gebrutzelt hatte. Seine Manieren waren einwandfrei, seine Bewegungen etwas geziert und seine Ausdrucksweise war leise und durchaus wohlformuliert. Es war offensichtlich, dass seine aktive Phase im Arbeitsleben hinter ihm lag. Gestik und Mimik ließen auf einen wachen Geist schließen, Esprit und Witz blitzten immer wieder hinter einer gewissen Distanziertheit hervor.

Wir unterhielten uns, während wir auf die Maschine warteten. Über dies und das und nichts Genaues. Seine Sprache war voller Idiome, die einer anderen Zeit entnommen waren. Ich fragte, um dem Small-talk Stoff zu geben, nach seinen Musikvorlieben und landete – wie schon geahnt – in den 60er Jahren. Ein wenig Nachfrage ergab ein profundes Wissen um die damalige Musikszene. Hintergründe, Stilrichtungen, Titel, Bandzusammensetzungen und Klatsch & Tratsch von damals. Ein wenig kam ich mir vor wie in einer jener Musiksendungen von damals. Wie hießen sie noch gleich? Beat-Club oder Musik aus Studio B mit Chris Howland. Ich musste schmunzeln und wir sprachen über diese Sendungen, die ich nicht mehr wirklich miterlebt hatte. Er schon. Er verriet, dass er vor einigen Jahren sogar eine kleine Radiosendung moderiert habe. Der Aufwand sei jedoch enorm hoch gewesen und die Hörerzahlen mit der Zeit abnehmend. Für diese Art der Radiounterhaltung gebe es heute kaum noch Interesse. Spotify sei Dank.

Beim Versuch in die Gegenwart zu gleiten, regte sich Widerstand. Ablehnung gepaart mit Unkenntnis. Die Musik heute sei keine Musik mehr. Nichts Handgemachtes, sondern nur noch Konstruiertes für einen kommerziellen Markt. Bereit zum Streamen, schnelle Kost, keine Kunst. So etwas höre er nicht. Das lehne er prinzipiell ab. Seine Skepsis Neuem gegenüber schien sich jedoch nicht nur auf die Musik zu beschränken. Sein Handy war eines der älteren Modelle und weit weg vom Smartphone. Sein Urlaubsziel war seit rund 40 Jahren unverändert. Tja, und der Modestil? Ich erwähnte es schon.

Es bedarf keines Mathematikstudiums, um sich das ungefähre Alter des Herrn auszurechnen. Seltsamerweise war er jung trotz der stattlichen Fülle an Jahren. Er hatte es vermieden, älter zu werden. Er hatte einfach die 60er Jahre nicht verlassen. Auch eine Methode!