Geräusche in der Nacht

Geräusche in der Nacht verdichten die Dunkelheit. Sie formen sie zu einem Raum mit einer Struktur. Alle Sinne werden aktiviert. Selbst Bewegungen in Lautlosigkeit bleiben nicht unbemerkt. Als sich die Tür einen Spalt breit öffnete und ein Auge im oberen Teil vage zu erahnen war, deutete kein Laut auf den Riesen hin, der sich hinter dieser Tür verbarg. Regungslos verharrte der Hüne, bis das Auge sich an das geringe Lichtangebot gewöhnt hatte. Mit katzenartiger Geschmeidigkeit gleitete der Mann durch den Spalt und betrat den Raum. Er wendete sich dem Bett in der Ecke des Raumes zu. Von dort waren die feinen, tiefen Atemzüge eines  schlafenden Kindes zu hören, die ab und an von einem kläglichen Gewimmer unterbrochen wurden. Der Mann schaute auf das Bett, worin sich die zarte Silhouette des Kindes vor dem hellen Hintergrund abhob. Das Kind war unruhig, die Decke lag am Fußende.

Mit langsamen und ruhigen Bewegungen hob der Hüne die Decke an und breitete sie über das schlafende Kind. Zärtlich schob er dem Mädchen eine Strähne des verwuschelten Haares aus der Stirn und berührte sanft mit seinem Zeigefinger die Handinnenfläche der Kleinen. Sofort schloss sich die Hand fest um den riesigen Finger. Die zweite kleine Hand schnappte ebenfalls danach. Wie in einem winzigen Schraubstock steckte der Finger des Mannes nun fest. Das Mädchen lächelte im Schlaf und murmelte: „Mein Papa!“ Ein Seufzer und mehrere ruhige Atemzüge bezeugten den endlich ruhigen Schlaf des Kindes.

Der Vater des Kindes brachte es nicht über das Herz, seinen Finger aus den Händen der Kleinen zu ziehen. Vorsichtig setze er sich neben das Bett und lehnte sich gegen den Schrank. Ein Stofftier diente ihm als Nackenstütze. Er dachte über sich, seine Familie und die Zukunft der Kleinen nach. Er war glücklich, obwohl seine momentane Position alles andere als bequem war. Er rutschte etwas tiefer und tatsächlich schlief er in seiner halb liegenden, halb sitzenden Position ein.

Am frühen Morgen betrat seine Frau das Kinderzimmer und sah ihren Mann neben dem Bett auf dem Boden liegend, das Mädchen lag auf ihm und  hielt die Decke fest über beide gespannt. Schlaftrunken hob sie den Kopf und schaute lächelnd ihre Mutter an. „Was macht ihr beiden auf dem Boden?“, fragte die Mutter. „Papa lag auf dem Boden. Ohne Decke. Ihm war bestimmt kalt. Ich habe ihm meine Decke geben. Aber dann war mir kalt. Dann habe ich mich auf seinen Bauch gelegt und die Decke über uns beide gelegt. Dann war uns beiden warm. So einfach.“