Der ungeladene Gast

Es ist ein schöner Frühlingstag im Jahr 1912. Emerald Torrington feiert ihren zwanzigsten Geburtstag. Sie erwartet Gäste zum Dinner. Das englische Landhaus Sterne hat zwar schon bessere Zeiten gesehen, wurde aber für den Anlass herausgeputzt. Ähnlich geht es der Familie Torrington. Finanziell ist es nicht gut um sie bestellt. Der Vater verstarb und hinterließ seiner Frau und den Kindern nichts als Schulden. Sohn Clovis und die älteste Tochter Emerald nehmen es ihrer schönen Mutter Charlotte übel, wieder geheiratet zu haben. Der Stiefvater kümmert sich um die Familie – trotz aller Anfeindung seitens der Kinder – und versucht, das Landhaus im Familienbesitz zu halten. Zu diesem Zweck weilt er in der Stadt und nimmt nicht an der Geburtstagsfeier teil. 
Der Abend verläuft gänzlich anders als geplant. Mit den geladenen Gästen erscheinen auch ungeladene Besucher. Ein Zugunglück in der Nähe zwingt die Familie, Zugreisende aufzunehmen. Widerwillig und nicht sehr höflich werden die Verunglückten in das Haus gelassen und die Familie versucht, den Abend wie geplant zu verbringen. Ausgerechnet einer der Reisenden wird von Clovis als standesgemäß erachtet und zum Dinner geladen. Er verhält sich ungewöhnlich, unhöflich und bringt am Ende skandalöse Geheimnisse über Charlotte ans Licht. 
Das Buch beginnt im ersten Teil langsam und behäbig. Situation und Charaktere werden beschrieben und der Leser erwartet einen Roman über den Niedergang des englischen Landadels mit allen gesellschaftlichen Facetten. Mit der Ankunft der Verunglückten nimmt die Geschichte an Fahrt auf. Die unangekündigte Situation gerät auch für die Familienmitglieder zu einer Katastrophe, die sich immer mehr ins Bewusstsein drängt, so sehr sie auch versuchen, diese – wie auch alle anderen - Schwierigkeiten und Katastrophen zu verdrängen. Hinter der Fassade des guten Benehmens und der adligen Höflichkeit funktioniert der Abend jedoch nur für kurze Zeit. Die Handlung wird zunehmend skurriler, was selbst durch den Hinweis auf Walpurgisnacht im Klappentext nicht wirklich erklärbar ist. Die jüngste Tochter Smudge – eigentlich Imogen – trägt sehr zur Exzentrik der Geschichte bei. 
Beim Lesen wähnt man sich zunehmend inmitten eines Albtraums, der gleichermaßen fesselnd wie verstörend ist. Der von Sadie Jones verfasste Roman ist eine Parabel im ursprünglichsten Sinne und zeigt auf der Bildebene die verschlungenen Wirrungen der gesellschaftlichen und finanziellen Zwänge der damaligen Zeit. 
Anders als viele aktuelle Romane, sind die Wendungen der Geschichte des Buches Der ungeladene Gast nicht vorhersehbar.   

Der ungeladene Gast
Sadie Jones
ISBN 978-3-442-74772-6
btb - Verlag