Mehr als Müll in der Tonne

Es ist Sommer. Ich sitze in meinem Garten und schaue fasziniert und immer wieder aufs Neue staunend auf die Pflanzen, die jetzt in voller Pracht blühen oder bereits üppig Früchte tragen. Das Wunder der Natur vollzieht sich auch in diesem Jahr: Aus einem scheinbaren Nichts ist eine Vielfalt der Lebendigkeit hervorgegangen, ein Lebensraum für Tiere, Pflanzen und auch für Menschen entstanden. Kräuter, Früchte, sogar etwas Salat, natürlich alles ungespritzt, gesund und super lecker. Viel besser als aus dem Supermarkt. Allein mein Koriander aus der Kräuterecke schlägt sogar seinen Kräuter-Kollegen vom Wochenmarkt. Es drängt sich der Gedanke nach bio, nachhaltigem Anbau von Lebensmitteln, umweltbewusster Mikrolebensweise und anderen notwendigen Denkansätzen auf. Schnell bin ich bei Müllvermeidung, Plastikreduzierung, Stromsparen und so weiter. Dabei brummen mir tatsächlich Insekten um die Ohren und ein Konzert aus unterschiedlichen Vogelstimmen beruhigt mich. Ich fühle mich entspannt und vollkommen eins mit mir und meinem Wunsch, meine Welt ein kleines Stück aus eigener Kraft erhalten zu können.

Doch die Welt ist mehr als mein Garten, muss ich im zweiten Absatz meines Gedankenkontinuums hinzufügen. Die Welt ist mehr als Umwelt, Klima und Energie. Meine Welt, die sich nahtlos in die Welt der anderen einfügt, besteht aus Menschen, Umgangsformen, Zusammenleben, Gesetzen, Normen und Kultur. Diese werden bestimmt durch eine Reihe von abstrakten Dingen, die sich aus Tradition, Verhaltensweisen, Situationen und Wirtschaft zusammensetzen. Geld ebenfalls und durchaus nicht zuletzt. Will man die Welt zu einem besseren Ort machen, dann gilt es nicht nur den Müll zu vermeiden, sondern auch vieles mehr, was sich in Worten und Taten, im Zusammenleben so anhäuft. Aggressionen, Neid, Angeberei, Hass, Egoismus, Korruption und Unterdrückung sind jene Dinge, die die Welt zerstören. Es hilft, nicht jeden Satz mit „Ich“ zu beginnen. Ab und an ein „Wir“ schadet nicht.

Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Rücksichtnahme, Toleranz, der Glaube an Demokratie sind unverzichtbare Faktoren für ein friedliches und funktionierendes Zusammenleben. Dazu gehören freie Presse, die persönliche Freiheit, sich zu entfalten und sich zu äußern – ohne den anderen in seiner Freiheit einzuschränken. Die eigene Verantwortung und das Annehmen und Erfüllen von Pflichten sind Grundvoraussetzungen für ein gutes Miteinander und für den respektvollen Umgang mit Mensch, Tier und Umwelt gleichermaßen.

Es gibt dafür sicherlich vollkommen neue, hippe Anglizismen, aber man kann sie eigentlich auch mit zwei sehr altmodischen, jedoch treffenden Begriffen zusammenfassen: gesunder Menschenverstand und – mehr noch – Anstand.

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