Haltlos

Wind kam auf. Flüsternd blies er Zukunft in die grau gebräunten Gesichter. Der Hauch blieb ungehört, denn der Blick richtete sich auf längst vergangene Bilder. Was war, was blieb, was ging. Der Wind versuchte es erneut und pustete: was kommt. Die Menschen hörten, aber verstanden nicht. Es rauschte in ihren Köpfen und verwirrte die eintönigen Gedanken. Der Augenblick verwischte. Die bekannten Bilder nahmen ihren Platz ein. Der Wind wurde lauter. Energisch schickte er eine scharfe Böe. Die Menschen schwankten, die Köpfe zerzausten und Satzfetzen stoben durcheinander. Sie suchten umso mehr Halt an alten Wahrheiten und Traditionen. Die Menschen rückten zusammen und wichen zurück. Sie sahen nicht, dass das Alte auf Dauer brüchig wurde. Angst und Verwirrung kamen auf. Der Wind spie Sturmbrausen und zwang manche von ihnen, sich abzuwenden, sich umzudrehen und die Richtung zu wechseln. Mit Rückenwind stoben sie davon, versuchten die Weggefährten zu greifen und mitzureißen. Es gelang nicht jedem, denn die einen versteckten die Hände, die anderen rieben sich die Augen, die nächsten wendeten sich immer tiefer in den unsicheren Schutz der Erinnerungen. Doch einige wagten, den Blick zu heben, zu ändern, die Augen zu öffnen und zu sehen. Sie sahen offene Türen, Farben, Möglichkeiten und Weite. Die Angst verging vor Begeisterung. Und Neugier. Sie konnten gehen, ganz ohne Halt. Sie konnten schauen, ganz ohne verwurzelte Meinung. Sie konnten denken, ganz ohne engen Rahmen. Der Wind erschien dort, wo das Neue sich zeigte, als eine frische, freundliche Brise. Sie säuselte und murmelte schön, klar und machte Mut. Auch wenn sie stolperten, den Weg nicht gleich fanden, Kurven drehten und tanzten, die Richtung war klar: es war die Zukunft.