Frühjahrsputz - eine deutsche Marotte?

Das Volk der Dichter und Denker muss wie andere Länder auch mit allerlei Pauschalisierungen von außen umgehen, die sich in der inneren Wahrnehmung einer Nation mal als nett und mal als weniger nett verpackte Vorurteile entlarven lassen. Der Begriff der German Gründlichkeit stellt in diesem Zusammenhang keine Ausnahme dar. Klar, es verbietet sich, den Habitus des pedanten Saubermanns pauschal mit dem Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft zu verknüpfen. Dennoch, der Begriff des Frühjahrsputzes ist Teil des deutschen Sprachschatzes - und er wird rege genutzt.

Über den Jahresverlauf hinweg fristet der Begriff des Frühjahrsputzes sein Dasein in der sprachlichen Mottenkiste, bis endlich in den Frühlingsmonaten wieder Reinigungspläne, die in mühevoller Kleinarbeit erstellt wurden, aus der Schublade geholt und auf neue Putzbedarfe hin überprüft werden. Dann, ja dann, ist Frühjahrsputz en vogue. In checklistenartiger Abarbeitung werden die dem eigenen Anspruch auf Sauberkeit widersprechenden Ecken des Domizils mit allerlei Mittelchen behandelt und das Prozedere so lange wiederholt, bis entweder das erste Frühlingsfest vor der Tür steht, oder der schlappe Körper gegen den engagierten Kopf gewinnt.

Pläne und Tipps, wie der Frühjahrsputz am gründlichsten und schnellsten über die Bühne geht, finden sich wie Sand am Meer. Warum jedoch gerade das Frühjahr der Zeitraum sein soll, den man mittels eigens auferlegten Reinigungsplänen für Draußen und Drinnen als Hochsaison des Putzens begreift, bleibt im Unklaren. Will man sich der Beantwortung dieser Frage nähern, dann hilft es, einigermaßen einer Fremdsprache mächtig zu sein. Richtig gehört, Frühjahrsputz wird vor allem in anderen Sprachen beschrieben (exclamation mark).

Im englischsprachigen Raum wird das Phänomen des spring cleaning vornehmlich klimatischen Regionen zugeschrieben, die einen besonders kalten Winter erfahren und wird als Metapher für Arbeiten und Handlungen verwandt, die man vorsorglich tätigt. Der Ursprung des Begriffs lässt sich laut englischen Quellen unter anderem auf eine alte jüdische Tradition zurückführen, die das Reinigen des Hauses im Vorfeld des Passah-Festes zum Inhalt hat. Die frühen Christen übernahmen diese Tradition, legten den Zeitraum für den Frühjahrputz aber konkret fest, auf den Zeitraum zwischen Palmsonntag und Ostersonntag. In Ländern, in denen der orthodoxe Glaube verbreitet ist, wird an dieser Tradition bis heute festgehalten.

Eine weitere Erklärung findet sich im Zusammenhang mit dem alt-iranischen Neujahrs- und Frühlingsfest, dem so genannten Nouruz, das seit über 3.000 Jahren gefeiert wird. Mit dem Nouruz eng verknüpft ist die Tradition des khonneh tekouni, was in etwa so viel bedeutet wie das Schütteln des Hauses. Khonneh tekouni sieht vor, dass vor dem Neujahrs-/Frühlingsfest, das gesamte Haus „durchgeschüttelt“, also von oben bis unten gereinigt wird. Andere Länder wie Schottland und weite Teile Irlands, Neuseelands und Nordamerikas pfl egen zudem die Tradition des Neujahrsputzes (New Year´s cleaning) am 31. Dezember. Eine alternative, vergleichsweise junge und eher technische Erklärung der Tradition des Frühjahrsputzes liefert die Feststellung, dass im europäischen und nordamerikanischen Raum des 19. Jahrhunderts vielerorts der Monat März genutzt wurden, um das Haus von Staub und Dreck zu befreien.

Als Gründe, warum gerade der Monat März gewählt wurde, werden die moderaten Temperaturen und das laue Lüftchen des Monats genannt. In der Vor-Staubsauger-Ära nutzte man diese saisonalen Umstände, um das Haus auf natürliche Art zu durchlüften und letztendlich zu reinigen.

Jens Wacker

Am Rande - fun fact

Donald Trump, seines Zeichens US-Amerikanischer Unternehmer mit deutschen Wurzeln, der sich derzeit in der Primary (Vorwahl) der Republikaner als Kandidat für die US-Präsidentschaftswahl im November 2016 bewirbt, hat die Reinlichkeit der Deutschen einmal so umschrieben: „Die Steuben- Parade [Anm.: Deutsch-Amerikanisches Fest in New York] ist die einzige Parade New Yorks, bei der die Straßen anschließend sauberer sind als vorher.“ Die Steuben-Parade geht auf den preußischen Offizier Friedrich Wilhelm von Steuben zurück, der unter dem Oberbefehl George Washingtons die amerikanische Armee nach preußischem Vorbild umbaute und dem als General der US-amerikanischen Kontinentalarmee bis heute eine wichtige Rolle im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg zuerkannt wird. Die Parade feiert deutsche Traditionen und gilt als wichtigstes Ereignis im deutsch-amerikanischen Festkalender.