Die Sache mit der Langeweile

Kaum jemand, der einfach noch nur so dasitzt und wartet. Weder im Bus oder Bahn, an der Haltestelle, in der Kneipe oder im Wartezimmer wird lediglich gewartet und die Zeit beim Verstreichen beobachtet. Einfach mal nichts tun, also sichtbar nichts tun, denn denken darf man ja auch bei Muskelstillstand, ist selten geworden. Wir haben ein Smartphone in der Hand und teilen uns mit, lesen, bewerten oder spielen. Wir suchen Kontakt mit anderen, versuchen die Zeit zu nutzen und erledigen in der Zwischenzeit organisatorische Angelegenheiten per App. Wir tun dies aus Angst vor der Langeweile, der Untätigkeit, des Ausharrens. Diese Begriffe fürchten wir, denn sie sind gesellschaftlich negativ belegt. Sich Zeit nehmen ist wesentlich anerkannter als simpel Zeit haben. Wer Zeit hat, wird mit unliebsamen Aufgaben belegt. Derjenige scheint wohl nicht so wichtig zu sein, der nicht von morgens bis abends mit Terminen jonglieren muss. Dieser gesellschaftliche Stress provoziert die scheinbar viel beschäftigten Teilzeitarbeitnehmer (man muss leider zugeben, dass dies eher eine weibliche Marotte ist), permanent den ach so vollen Terminkalender im Detail dem mehr oder minder geneigten Auditorium darzulegen. Das ist lästig, uninteressant und nervt, besonders auch deswegen, weil man weiß, dass es ein Überspielen von Leere ist.

Dabei wäre jene Leere, würde man sie denn zulassen und als positiv betrachten, sehr sinnvoll und auch durchaus angenehm. Leerzeiten, oder nennen wir es besser Pausen, lassen eine Reflektion über das Geschehene und das Kommende zu. Es ist sozusagen die Möglichkeit zur Nach- und Vorbereitung von Ereignissen, die es einzuordnen gilt. Mehr als ein Konsumieren von Events sollte ein Genießen und Durchleben möglich werden. Sich freuen über das Treffen mit Freunden, den Erfolg im Beruf, die Zeit mit der Familie sind wichtig und lassen die Momente wertvoller werden. Auch sind Vorbereitungen und Nachbetrachtungen von Ereignissen in Pausen möglich und verhelfen uns dazu, diese – gerade bei nicht so schönem Verlauf – einzuordnen und an ihnen zu wachsen. In den Pausen kommen wir in Kontakt mit uns selbst. Wir können nachfühlen, was uns gefällt, wie die Dinge auf uns wirken und sie vielleicht in eine Richtung lenken, die uns beliebt. Wir leben aktiv unser Leben und werden nicht fremdgesteuert und getrieben von Dingen, Ereignissen, von anderen und letztlich von unseren negativen Gefühlen.

Ein Aneinanderreihen von Terminen macht alles gleichwichtig und nichts besonders. Wenn die Pausen in der Tat als Leere empfunden werden, dann läuten die Alarmglocken. Denn dann bedeutet ein luftiger Terminkalender nicht Zeit haben, sondern nicht wichtig sein, oder es vielleicht nicht geschafft zu haben - oder ebenso schlimm: einsam sein.

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