Schule für jeden

Die hiesige Bildungslandschaft erscheint auf den ersten Blick recht unübersichtlich. Das gilt für die Schulformen, die auf der Grundschule aufbauen. Diese haben wir in der ersten Ausgabe des Jahres von Chili-das Magazin eingehend betrachtet. Heute schauen wir auf die Bildungseinrichtungen, die nach der Pflichtschulzeit wahrgenommen werden können, in manchen Fällen aber auch wahrgenommen werden müssen.

Das Kolleg

Das Kolleg richtet sich an Erwachsene ab dem 18. Lebensjahr, legt den Schwerpunkt auf die Vermittlung der Studierfähigkeit und „knüpft insbesondere an bereits gewonnene Erfahrungen aus der Berufswelt an“ (vgl. MWWK Rheinland-Pfalz 2010: 20).

Aufbau, Bildungsangebot und Abschluss

Das Kolleg ist der Sekundarstufe II zugeordnet und vergleichbar mit der gymnasialen Oberstufe. Über sechs Halbjahre, die sich in eine einjährige Einführungsphase und in eine zweijährige Qualifikationsphase im Kurssystem unterteilen lassen, kann die Allgemeine Hochschulreife erlangt werden. Für Letzteres muss nach Ende der Qualifikationsphase eine Abiturprüfung abgelegt werden, die nach erfolgreichem Abschluss zum Studium aller Fachrichtungen an Fachhochschulen und Universitäten berechtigt. Bereits nach dem ersten Jahr der Qualifikationsphase „kann der schulische Teil der Fachhochschulreife bescheinigt werden“ (ebenda). Dieser berechtigt in Verbindung mit einer bereits abgeschlossenen Berufsausbildung oder einem einjährigen Praktikum oder nach Leistung eines freiwilligen sozialen/ökologischen Jahres zum Studium an Fachhochschulen. Wird die einjährige Einführungsphase zu Beginn des Kolleg-Besuchs erfolgreich abgeschlossen und die Versetzung in die Qualifikationsphase bescheinigt, dann erhalten übrigens all jene, die vor Antritt noch nicht darüber verfügten, einen Qualifizierten Sekundarabschluss I (Mittlere Reife/Realschulabschluss).

Das Abendgymnasium

Aufbau, Bildungsangebot und Abschluss

Die Bedingungen für die Aufnahme in ein Abendgymnasium entsprechen denen des Kollegs. Einziger Unterschied: Die Studierenden müssen mindestens bis zum Ende des ersten Halbjahres der Qualifikationsphase berufstätig sein. Grundlegendes Ziel des Abendgymnasiums ist es, Berufstätige zur Allgemeinen Hochschulreife zu führen. Die Dauer des Bildungsgangs und die Unterteilung in Einführung und Qualifikationsphase entsprechen wiederum dem Aufbau des Kollegs, allerdings findet der Unterricht durchgängig nach 17 Uhr statt. Mögliche Abschlüsse und Übergangsmöglichkeiten sind ebenfalls dieselben wie im Kolleg.

Berufsbildende Schulen

Vor dem Besuch der Berufsschule: das Berufsvorbereitungsjahr (BVJ)

„Das Berufsvorbereitungsjahr hat die Aufgabe, die Schüler auf den Eintritt in eine Berufsausbildung oder in ein Arbeitsverhältnis vorzubereiten“ (vgl. MWWK Rheinland-Pfalz 2010: 27). Zudem ist es den Schülern möglich, durch das BVJ nachträglich die Berufsreife zu erwerben.

Aufbau, Bildungsangebot und Abschluss

Das BVJ setzt voraus, dass mindestens neun Schuljahre absolviert und ein Abgangszeugnis einer allgemeinbildenden Schule (oder einer Schule mit Förderschwerpunkt Lernen) ausgestellt wurde.

Der Zeitraum des BVJ umfasst ein Schuljahr und wird in der Regel in Vollzeit absolviert. Je nachdem, welche Berufsschule besucht wird, können Schüler zwischen verschiedenen Schwerpunkten wählen. Das schulische Angebot umfasst die Pflichtfächer Deutsch, berufsbezogener Unterricht, Fachpraxis – teilweise durch Betriebspraktika, Sozialkunde/Wirtschaftslehre, Sport und zwei Wahlpflichtfächer (berufsbezogenes Fach, Informatik/Datenverarbeitung oder Förderunterricht). Werden im Rahmen des Vollzeitunterrichts bereits Qualifikationen, so genannte Qualifizierungsbausteine, erworben, dann können diese auf eine mögliche spätere Berufsausbildung angerechnet werden.

Abgeschlossen wird das BVJ, wenn in den Fächern Deutsch/Kommunikation, berufsbezogener Unterricht und Fachpraxis mindesten die Note ausreichend erreicht werden konnte. Nach erfolgreichem Abschluss des BVJ können die Schüler eine Berufsausbildung beginnen oder eine Berufsfachschule oder ein Kolleg besuchen.

Die Berufsschule – in Teilzeit

„Die Berufsschule führt als gleichberechtigter Partner der betrieblichen Ausbildung durch eine gestufte Grund- und Fachbildung zu berufsqualifizierten Abschlüssen“ (vgl. MWWK Rheinland-Pfalz 2010: 28).

Nach der Pflichtschulzeit von neun Jahren, muss in Rheinland-Pfalz mindestens weitere drei Jahre die Schulbank gedrückt werden. Der Gesetzgeber spricht an dieser Stelle von teilzeit- oder berufsschulpflichtig. Die komplette Schulpflicht umfasst also in der Summe insgesamt zwölf Jahre.

Aufbau, Bildungsangebot und Abschluss

Die Berufsschule besuchen all jene verpflichtend, die ihre zwölfjährige Schulpflicht noch nicht erfüllt haben oder die in einem Berufsausbildungs- oder Beschäftigungsverhältnis stehen. Außerdem sind Jugendliche ohne bereits erreichte Berufsreife, die nicht in einem Ausbildungs- oder Beschäftigungsverhältnis stehen, verpflichtet, ein Berufsvorbereitungsjahr zu leisten.

Neben dem Kernangebot der Berufsschule, dem berufsbezogenen Unterricht, werden berufsübergreifende Pflichtfächer besucht. Das Pflichtangebot, das in Lernbausteine unterteilt ist, umfasst die Fächer Deutsch/Kommunikation, Sozialkunde und Wirtschaftslehre, Religion und Ethik sowie Sport. In der Grundstufe, das ist das erste Ausbildungsjahr, wird „eine berufsfeldbreite oder berufsbezogene Grundbildung vermittelt“ (ebenda). In der Fachstufe, in der Fachklassen nach einzelnen Berufen gebildet werden, werden die Fachkenntnisse des jeweiligen Berufs vermittelt. Folgende Berufsfelder werden von der Berufsschule abgedeckt und lassen einen Einteilung in fachbezogene Gruppen zu. Ergänzt wird die berufsbezogene Bildung zudem durch Wahlpflichtfächer.

Erfolgreiche Absolventen der Berufsschule erhalten ein Abschlusszeugnis über die Qualifikation der Berufsreife. Neben dem Übergang in die Berufstätigkeit besteht für alle Absolventen, die eine Gesamtdurchschnittsnote von mindestens 2,5 erzielen konnten und nach einer zweijährigen Berufstätigkeit die Möglichkeit, eine Hochschulzugangsberechtigung für Fachhochschulen in Rheinland-Pfalz oder eine fachgebundene Hochschulzugangsberechtigung für Universitäten in Rheinland-Pfalz zu erhalten.

Dreijährige Berufsfachschule - vollschulische Berufsausbildung

Im Gegensatz zur Teilzeit-Berufsschule, in der ein Teil der Ausbildung im ausbildenden Betrieb stattfindet, führt die dreijährige Berufsfachschule vollschulisch durch eine gestufte Grund- und Fachbildung zu berufsqualifizierenden Abschlüssen im Handwerk.

Aufbau, Bildungsangebot und Abschluss

Die Berufsfachschule kann besucht werden, wenn die Berufsreife erreicht wurde oder ein gleichwertiges Zeugnis nachgewiesen werden kann. Im ersten Schuljahr, der Grundstufe, wird „je nach Ausrichtung der Berufsfachschule eine berufsfeldbreite Grundbildung vermittelt“ (vgl. MWWK Rheinland-Pfalz 2010: 29). Im zweiten Schuljahr werden in der Regel Fachklassen gebildet, die die besonderen Fachkenntnisse der einzelnen Berufe vermitteln. Diese Fachklassen werden in folgenden Bildungsgängen entsprechend des jeweiligen Handwerksberufes angeboten: (siehe Grafik „Handwerksberufe Berufsfachschule“).

Der Unterricht selbst ist in Pflicht- und Wahlpflichtveranstaltungen untergliedert. Neben den theoretischen und praktischen Fächern mit Berufsbezug werden im berufsübergreifenden Bereich die Pflichtfächer Deutsch/Kommunikation, Sozialkunde und Wirtschaftslehre, Religion und Sport unterrichtet. Das Wahlpflichtangebot umfasst die Fächer Fremdsprachen, Politik, Kommunikation in Netzen, Mathematik und Biologie/Chemie/Physik. Neben dem genannten Fächerangebot bestehen je nach Schule zudem Möglichkeiten, verschiedene Zusatzqualifikationen zu erwerben.

Nach erfolgreichem Abschluss der drei Jahre an der Berufsfachschule steht das Abschlusszeugnis. Wird an der Meisterschule für Handwerker in Kaiserslautern das Abschlusszeugnis erreicht, dann ist dieser Abschluss mit einer bestandenen Gesellenprüfung im jeweiligen Ausbildungsberuf gleichgestellt. Die Absolventen der Bildungsgänge in Kusel, Speyer und Betzdorf-Kirchen haben die Möglichkeit, an der Gesellenprüfung der Handwerkskammer teilzunehmen. Wurde der Fachhochschulreifeunterricht erfolgreich besucht, dann kann gleichzeitig noch die Fachhochschulreife erlangt werden. 

Berufsfachschulen

Die Berufsfachschule I

„Die Berufsfachschule I führt zu einer fachrichtungsbezogenen beruflichen Grundbildung. Sie vermittelt berufsbezogene und allgemeine Grundkenntnisse sowie Grundfertigkeiten zur Förderung der beruflichen Handlungsfähigkeit und unterstützt die Schüler bei der Entwicklung eigener Lerntechniken und Lernstrategien“ (vgl. MWWK Rheinland-Pfalz 2010: 31).

Aufbau, Bildungsangebot und Abschluss

Voraussetzung für den Besuch der Berufsfachschule I ist die Berufsreife oder ein gleichwertiges Zeugnis. Die Schule wird in Vollzeitform geführt und dauert ein Schuljahr. Neben den Angeboten der gewählten Fachrichtung umfasst der Unterricht der Berufsfachschule I die Pflichtfächer Deutsch/Kommunikation, Fremdsprache, Mathematik, Methodentraining, Religion und Ethik, Sozialkunde/Wirtschaftslehre und Sport. Diese werden noch ergänzt durch die Wahlpflichtfächer berufsbezogenes Fach, Biologie, Chemie, Physik oder Textverarbeitung, von denen mindestens ein Fach belegt werden muss. Die Berufsfachschule I schließt mit dem Erwerb der Beruflichen Grundbildung ab, die berechtigt, die Berufsfachschule II zu besuchen.

Die Berufsfachschule II

Aufgabe der Berufsfachschule II ist es, berufsübergreifende Lerninhalte mit berufsbezogenen Projekten aus den verschiedenen Fachrichtungen zu verbinden und die berufliche Handlungskompetenz weiter zu fördern.

Aufbau, Bildungsangebot und Abschluss

Um die Berufsfachschule II besuchen zu dürfen, muss zunächst die Berufsfachschule I erfolgreich absolviert werden. Wie bei der Vorstufe wird der Unterricht in Vollzeitform abgehalten und der Bildungsgang dauert ein Schuljahr an. Das Pflichtfachangebot der Berufsschule II umfasst dieselben Fächer wie auch die Berufsschule I. Hinzu kommen die Wahlpflichtfächer Chemie oder Physik, Biologie, Berufsbezogenes Fach, zweite Fremdsprache und Informationsverarbeitung.

Das Pflichtfach des berufsbezogenen Unterrichts wird projektorientiert in den Fachrichtungen Betriebswirtschaft, Technik, Hauswirtschaft/Sozialwesen und Ernährung, Gesundheit/Pflege, Informationsverarbeitung und Medien sowie Agrarwirtschaft erteilt. Absolventen der Berufsfachschule II erhalten den Qualifizierten Sekundarabschluss I und können darauf aufbauend eine Berufsausbildung beginnen oder eine weiterführende Schule (höhere Berufsfachschule, berufliches Gymnasium, Gymnasium) besuchen.

Quelle: Bildungswege in Rheinland-Pfalz, Informationsschrift, MWWK - Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur (Hrsg.), 2010

Jens Wacker