Neue Heimat Pfalz – Roms Vorstoß an den Rhein

Um das Jahr 12 vor Christus besetzte eine antike Supermacht die Pfalz: das Römische Reich. Sie baute Siedlungen, Prachtvillen und Straßen. Sie errichtete Lager und Arbeitsstätten und sorgte für den bisher größten Wissenstransfer in unsere Region, aber auch für die bis dahin nachhaltigste Anpassung der Landkarte. Ein Großteil der ältesten Städte Deutschlands ist dank des Jahrhunderte andauenden römischen Einflusses in Rheinland-Pfalz verortet. Mit Speyer (lat. Noviomagus Nemetum) befindet sich ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt der Römerzeit mitten in der heutigen Pfalz.

Strategiewechsel - Varus sei Dank

Nach zahlreichen Überfällen der Germanen auf das römische Reichsgebiet und aufgrund der weiterhin anhaltenden Expansionspolitik des Reiches, entschloss sich Kaiser Augustus im Jahr 12 vor Christus an den Rhein vorzurücken. Die Feldlager Vetera (Xanten) im Norden und Mogontiacum (Mainz) im Süden dienten als Brückenköpfe für den rechtsrheinischen Vorstoß, den Kaiser Augustus seinen Stiefsöhnen Tiberius und Drusus überließ.

Nach kurzzeitigen Erfolgen im Felde änderten die römischen Machthaber ihre Strategie grundlegend. Das ursprüngliche Ziel, ganz Germanien zu unterwerfen, wurde spätestens im Jahr 9 nach Christus, im Nachgang der römischen Niederlage in der Varusschlacht, beerdigt. Anstatt die Expansion des Reiches weiterhin verlustreich voranzutreiben, galt es nun aus römischer Sicht, die bisherige Reichsgrenze am Rhein zu sichern. Als imposante Landmarke jener Sicherung gilt bis heute die massive Grenzbefestigung des Limes, der rechtsrheinisch verlief.

Unter römischer Hoheit gehörte der saarpfälzische Raum in kleinen Teilen zur römischen Provinz Gallia Belgica mit der Hauptstadt Trier und zu großen Teilen zur unter der Regierung Domitians abgesteckten Provinz Obergermanien (Germania Superior)  mit der Hauptstadt Mainz. Zu letzterer Provinz gehörte auch die Vorder- und Nordwestpfalz. Ende des 3. Jahrhundert wurde im Rahmen einer Verwaltungsreform die Provinz Obergermanien durch die Provinz Germania Prima ersetzt.

Nach der Festigung der römischen Herrschaft jenseits des Limes erlebte der Mittel- und Oberrhein im zweiten Jahrhundert eine weitestgehend ununterbrochene Friedensperiode, einhergehend mit wirtschaftlicher und politischer Stabilität. Erst einhundert Jahre später sollte das römische Reich gezwungen werden, auf Druck vereinigter germanischer Stämme hin, die sich die innen- und außenpolitische Krise des Römischen Reiches zunutze machten, die rechtsrheinischen Gebiete aufzugeben. Linksrheinisch setzte das Reich seine Herrschaft aber noch bis ins fünfte Jahrhundert fort.

Römische Organisation

Die einheimischen Stämme vereinten sich unter römischer Kontrolle in Bürgerverbänden, so genannten civitates, die je nach Größe in Gaue, so genannte pagi unterteilt wurden. Daneben strahlten die römischen Zentren Mainz und Trier, die von vici, Siedlungen von kleinstädtischem Charakter, wie Speyer und Worms, aber auch frühindustrielle Zentren wie zum Beispiel Eisenberg funktional ergänzt wurden. Die großgrundbesitzende Oberschicht und Aristokratie residierte mitsamt Gesinde und Sklaven in Villen.

Jene Villen, deren Überreste noch heute in der Pfalz zu bestaunen sind, ließen sich grob in zwei Typen unterscheiden: die Prachtvilla (villa urbana), ein großflächiger Repräsentationsbau, mit aufwendigen Malereien und Bodenmosaiken, und Landgute (villae rustica), die primär landwirtschaftlich genutzt wurden. Mischformen aus beiden Villentypen sind ebenfalls anzutreffen und zeugen davon, dass erfolgreiche Landgute sich im Laufe der Zeit zu Prachtvillen entwickelten. Allerdings, und das war definitiv neu in der Pfalz des ersten Jahrhunderts nach Christus, waren auch einfachste Behausungen wenigstens in Teilen mit einer ausgeklügelten Fußbodenheizung ausgestattet. Ebenfalls Teil von bedeutenden Siedlungen und Villen waren Heiligtümer zur Verehrung der Götter.

Römische Infrastruktur: Unbewusst unterwegs auf römischen Straßen

Das  römische Straßennetz bildete den Grundstein der römischen Verwaltung und war das entscheidende Element der voranschreitenden wirtschaftlichen Entwicklung des Römischen Imperiums. Nach dem Untergang Roms wurde das Straßennetz übrigens durch das Mittelalter hinweg bis hin zur Moderne weitergenutzt. Mehr noch: Auch heute orientiert man sich beim Bau moderner Straßen noch an der Trassenführung der Römer. Ähnlichkeiten zwischen dem römischen und dem modernen Verkehrswegenetz lassen sich übrigens mit vergleichendem Blick auf die frühere und heutige Trassenführung nach wie vor ausmachen.

Römer und Wein – da war doch was

Der Wirtschaftszweig der unter römischer Herrschaft in der Pfalz am schnellsten wuchs, war die Landwirtschaft. Ausgedehnte Getreide- und Gemüsefelder sowie großflächig angelegte Weinberge zeichneten das Land. „Nach der Sicherung des Gebiets im Schatten des Limes waren die Voraussetzungen für eine umfangreiche Besiedlung und damit für die endgültige Ausbreitung mediterraner Kultur und Lebensart gegeben, wobei die Mehrheit der damaligen Pfälzer nicht aus mediterranen Römern, sondern nach wie vor aus Kelto-Germanen bestand. (…)“ So stellt es der Autor Bernhard in seinem Werk Römische Geschichte der Pfalz dar.

„Anfang des dritten Jahrhunderts importierten die Römer wichtige Rebsorten aus südlicheren Gefilden, wie den Elbling oder die Vorläufer von Riesling, Burgunder und Traminer. Die Weinberge deckten zu dieser Zeit ein Areal von bis zu 30 Hektar ab. Neben Acker- und Weinbau setzten die damaligen Gehöfte auf Viehzucht als weitere Einnahmequelle, “ wie die Fachliteratur erklärt. Dass Weintrinken in Rheinland-Pfalz eine jahrtausendealte Geschichte hat, ist bekannt. Weniger bekannt ist jedoch, dass bereits vor den Römern die Kelten selbst erzeugte Tropfen genossen. Wie weit hingegen deren Kenntnisse in Sachen Kultivierung und Veredlung von Weinreben reichten, ist nach wie vor nicht bekannt. Die Weinmacherkunst der Römer jedoch stellt niemand in Frage, weshalb man nach wie vor und guten Gewissens die Römer als Wegbereiter der heutigen Weinregion Pfalz betiteln kann.