Ghetto Bitch

Die 16jährige Nele wohnt mit ihren Eltern und ihrem Bruder Timo im Hamburger Nobelviertel Poppenbüttel. Das Leben erscheint angenehm, unbeschwert und voller Erfolge. Ihre Freunde gehören der gleichen wohlhabenden Gesellschaftsschicht an, die sich keine nennenswerten Sorgen zu machen braucht. Anders ist die Situation von Timo. Er ist ein Außenseiter und leidet unter einem brutalen Mobbing, von dem weder die Eltern noch die Schwester Kenntnis haben. 

Eines Nachts ändert sich das Leben der Familie von Grund auf. Der Vater stirbt bei einem Verkehrsunfall. Bald wird klar, dass er Selbstmord beging und der Familie nichts als Schulden hinterließ. Die Mutter muss mit ihren beiden Kindern die vertraute Umgebung verlassen und als Hartz-IV Bezieher in die Hochhaussiedlung Steilshoop ziehen. Steilshoop ist der krasse Gegensatz zum bisherigen Lebensentwurf. Mutter und Tochter schämen sich für den unverschuldeten Abstieg und konstruieren für ihre Freunde und Bekannte eine unglaubliche Lügenstory. Sie gaukeln einen Umzug nach New York vor, wo die Mutter als Designerin arbeiten werde. Tatsächlich findet sie nur schwer als ungelernte Arbeitskraft, die sie letztlich ist, nur eine Anstellung in einer Bäckerei. 

Neles Berg an Vorurteilen macht es ihr schwer, in der neuen Umgebung Fuß zu fassen. Der in Hinblick auf Freundschaften unerfahrene Timo hingegen findet zum ersten Mal Freunde, merkt aber viel zu spät, dass diese nicht nur grenzwertig, sondern die völlig falschen Kontakte sind. 

Als Nele dann doch Anschluss findet und auch noch eine Beziehung mit dem begehrtesten Jungen der Schule beginnt, fliegt zufällig – aber leider völlig vorhersehbar – das gesamte Lügenkonstrukt auf. Nele steht kurzzeitig zwischen zwei Welten, kommt jedoch mit der glänzenden Schweinwelt des Nobelviertels nicht mehr zurecht und entscheidet sich für ihr neues Leben. 

In der Zwischenzeit wird Timo nun von der eigenen Gang, als die sich seine neuen Freunde herausgestellt haben, zu kriminellen Mutproben gezwungen. Das passt ihm zwar nicht, er kann sich jedoch nicht wehren. Hinzu kommt der Erpresser und Mobber aus seinem alten Leben, vor dem er wirklich Angst hat, da Timo ihm zum Abschied aus Poppenbüttel übel mitgespielt hat. Der Showdown bringt eine reichlich zweifelhafte Variante einer Lösung. Timo lässt alte und neue Peiniger aufeinander treffen, die sich dann planmäßig brutal bekämpfen. Zudem schiebt Timo dem alten Feind Brandstiftung in die Schuhe, die er selbst – gezwungenermaßen – begangen hat. Augenzwinkernd wird dies wohl als die gerechte Strafe für alle Missetaten abgetan und schweigend über Timos wirkliche Probleme hinweggegangen. 

Der erste Jugendroman von Gernot Griksch ist spannend, facettenreich, vielleicht  ein wenig überfrachtet an einigen Stellen, und von einem gewohnt mitreißenden Schreibstil. Die Botschaften über Vorurteile, Freundschaft, Konsumverhalten und Werte sind zwar gut erkennbar, werden jedoch von den überzogenen Klischees recht trivial und nicht besonders glaubwürdig transportiert. Die Lösungsangebote für Mobbingopfer sollte er in seinem nächsten Roman noch einmal überdenken. 

Ghetto Bitch
Gernot Griksch
Dressler Verlag
ISBN 978-3-7915-0006-5