Pastell in der Inneneinrichtung

Farben wirken, ob man will oder nicht. Und sie erzeugen Stimmungen. Farben entscheiden mit darüber, wie wohl man sich fühlt, wie angeregt oder produktiv man ist. Wir kolorieren unser direktes Umfeld nach unseren Sehnsüchten und Stimmungen, wählen unsere Kleidung durchaus nach den Farben, bestimmen die Farbfelder der Accessoires, die uns begleiten und bepflanzen unsere Blumenbeete ganz nach unserem Geschmack. Farbtöne spielen beim Gestalten einer Wohnung oder eines Hauses eine wichtige Rolle, um eine gewünschte Atmosphäre hervorzurufen. Das machen sich seit einiger Zeit neben Designern und Innenarchitekten, Raumausstattern, Gastronomie, Hotellerie und Ladenbauern nun auch Haftanstalten zunutze, indem sie Gefängniszellen rosa streichen. Die Farbe soll eine beruhigende Wirkung auf aggressive Häftlinge haben. Diese Methode wird beispielsweise im Schweizer Gefängnis Pfäffikon erfolgreich angewendet.

Pastelltöne für größere Raumwirkung

Farben beeinflussen neben der Stimmung auch die Wahrnehmung der Raumgröße. „Bunte, kräftige Farben machen einen Raum immer kleiner, weil sie ins Auge springen und sich Platz machen“, erklärt Wohnpsychologe und Coach Uwe Linke. „Pastelltöne können hingegen die Fernwirkung und damit die wahrgenommene Größe des Raums positiv beeinflussen. Besonders eignen sich dafür ein zartes Blau oder helle Grautöne – die wir auch am Horizont sehen können, wenn wir in die Ferne sehen.“ Und wem bei Pastell nur Blümchentapeten für Kinderzimmer in den Sinn kommen, sollte umdenken. Pastell ist nicht gleich Pastell – und durchaus etwas für Puristen. Denn nicht nur die Farbe bestimmt den Eindruck, sondern auch die Form. Kantige und geometrische Formen wirken selbst in Puderfarben nicht lieblich-süß.

Wissenschaftler fanden heraus, dass Menschen mit höherem Einkommen und Menschen, die in Städten leben, Pastelltöne, zarte gediegene Farben und abgestufte Farbnuancen – also Ton in Ton - bevorzugen. Dies liegt zum einen an der städtischen Enge, die durch den Einsatz vonKnallfarben noch bedrückender wirken würde. Pastelle setzen einen Kontrapunkt zur schreienden Leuchtreklame und signalisieren Zurückhaltung, Eleganz und vornehmes Understatement. Städter leben in einem Konglomerat von überbordenden Sinneseindrücken und suchen eine ruhige Leichtigkeit, die durch die sanften Farbtöne suggeriert werden soll.

Modetrends sind immer auch Ausdruck einer gesellschaftlichen Strömung. Wer seine Situation als verbesserungswürdig ansieht, neigt zu knalligen, lauten, bunten, kurzen und üppigen Elementen und Effekten. Im Gegensatz dazu stehen die überwiegend zurückhaltenden, gedeckten und ruhigen Töne, die immer dann zum Einsatz kommen, wenn die Finanzlage nicht zur Schau gestellt werden muss. Pastelle nehmen dabei eine besondere Stellung ein, denn sie sind im Gegensatz zu den dunklen Unifarben weitaus weniger egozentrisch oder machtverliebt. Sie zeigen Mut und Stärke in ihrer Reduzierung, Weite und Offenheit in ihrer schieren Unbegrenztheit. Doch Vorsicht: Pastelle können auch Hilfebedürftigkeit suggerieren. So wird Frauen geraten, bei Scheidungsterminen Rosa zu tragen. Das Mitleid sei ihnen gewiss, so sagt man.