Oma, bist Du alt?

„Oma, bist Du alt?“ Na, das war mal eine Frage. Typisch für Carla, die immer über alles nachdachte. „Ja. Und auch nein.“ Irritiert schaute mich meine Enkelin an. „Was denn nun?“ fragte sie mit gerunzelter Stirn. „Ich bin deutlich älter als Du. Aber neben Euch in der Straße wohnt eine Frau, die ist noch viel älter als ich. Das kommt immer darauf an, wie man es betrachtet.“ „Aber Omas sind alt. Oder nicht?“ „Zumindest sind sie älter als ihre Kinder und ihre Enkelkinder. Sonst würde das ganze ja auch nicht funktionieren. Aber der Begriff alt sagt gar nicht so viel aus, wie man denken könnte. Sieh mal. Du bist schon so alt, dass Du nächstes Jahr in die Schule gehen wirst. Bist Du dann jetzt alt? In dem Fall sagt man vielleicht besser, Du bist alt genug. Aber Du bist noch zu jung, um Auto fahren zu dürfen. Ich bin alt genug, um Deine Oma zu sein, aber noch zu jung, um in Rente zu gehen.“

„Wann fängt es denn an, dass man alt ist?“ „Gute Frage. Tatsächlich ist es so, dass man jeden Tag ein bisschen älter wird. Ein Baby, das gerade geboren wurde, ist am nächsten Tag schon einen Tag alt. Nach wenigen Wochen ist es kein Neugeborenes mehr. Jeder Mensch altert jeden Tag ein bisschen. Die Frage ist bei Erwachsenen eher, ob man sich alt fühlt. Bei einigen Menschen fängt es sehr früh an, dass sie körperliche Beschwerden haben. Der Rücken tut weh. Sie sind nicht mehr so gelenkig oder schnell aus der Puste. Manche Menschen bekommen schon früh graue Haare, andere erst sehr spät. Einige haben schon mit 30 Jahren Falten, andere erst mit 50 Jahren. Aber fühlt man sich auch alt?“

„Wie fühlt sich alt an?“ „Auch das ist bestimmt bei jedem anders. Wenn man nicht mehr neugierig ist, nichts mehr ausprobieren will, nicht mehr albern ist und herumtanzt, wenn einem danach ist, dann kann es sein, dass man im Kopf älter wird.“ „Tanzt Du noch?“ „Manchmal. Nicht mehr so oft wie früher.“ „Bist Du dann ein bisschen alt?“ „Ja, vielleicht ein bisschen.“ „Ich finde, dass Du für eine Oma noch jung bist.“ „So? Wieso meinst Du das?“ „Du malst Dir Deine Lippen noch an, Du kannst schnell laufen und lachst mit uns ganz viel. Und Du sitzt nicht immer zu Hause, weil Du noch was zu tun hast. Und Du redest nicht immer von früher sondern ganz oft von heute und morgen.“