Wunderwerk Ohr

Obwohl den Menschen auch andere Sinnesorgane im weitesten Sinne des Begriffes hören lassen, bleibt das zentrale Hörorgan bei Säugetieren zweifelsohne das Ohr, genauer die Ohren. Das Ohr selbst lässt sich in drei Hauptbereiche unterteilen: Innenohr, Mittelohr und Außenohr. Außen- und Mittelohr nehmen Schalleinwirkungen auf und leiten diese an das Innenohr weiter. Das Innenohr selbst wandelt den Schall in Nervenimpulse um, die vom Hörnerv weitergeleitet im Gehirn weiterverarbeitet werden. Sehr dienlich ist die anatomisch Tatsache, dass im Regelfall Ohren stets im Doppelpack auftreten. Bereits der Umstand, dass ein Sinneseindruck eines der Ohren zuerst erreicht, dient dem Menschen als Groborientierung, von wo ein Geräusch ausgesendet wird. Trifft beispielsweise ein Geräusch das rechte Ohr zuerst, dann übersetzt das Gehirn das Geräusch als von rechts kommend. Dabei spielt es keine Rolle, dass der Sinneseindruck in Bruchteilen einer Sekunde auch vom linken Ohr wahrgenommen wird. Das Gehirn ist quasi schneller als der Schall und kann selbst kleinste zeitliche Versätze von Sinneseindrücken übersetzen - und das in einer räumlichen Abdeckung von 360 Grad.

Der Hörsinn – ein stets aktiver Sinn, 24/7

Ähnlich wie bei anderen Sinneseindrücken verknüpft das Gehirn wahrgenommene Sinneseindrücke mit anderen Informationen, die mit dem Hören einhergehen. Emotionen, Erfahrungen und Bilder, die das Gehirn mit in der Vergangenheit Gehörtem verknüpft und abgespeichert hat, werden abgerufen und können teils direkte motorische Reaktionen hervorrufen. Wer beispielsweise das Martinshorn von einem Krankenwagen in seiner Nähe hört, der wird von seinem Gehirn auf die drohende Gefahr des herannahenden Fahrzeuges hingewiesen und gleicht diese mit den eigenen Erfahrungen ab. Die Folge: Wir weichen aus und halten den Anfahrtsweg der Rettungskräfte frei. Aber auch unmittelbare Reaktionen, die zwischen Sinneswahrnehmung und eigener Handlung nur den Bruchteil einer Sekunde vergehen lassen sind möglich. Wer hat sich nicht bereits mit einem instinktiven Sprung aus der Gefahrenzone gerettet, wenn direkt hinter einem ein fehlgeleiteter Feuerwerkskörper zu Detonation kommt? Unser Gehör ist stets aktiv und wachsam und steht in einem ständigen Austausch mit dem Gehirn – auch im Schlaf!

Ich höre dich - nicht.

Der wahre Stellenwert der Sinne im Allgemeinen erschließt sich einem meist erst dann, wenn diese in Teilen oder gar gänzlich verloren gehen. Circa 15 Millionen Deutsche leiden an einer messbaren Hörschädigung, die aber nicht in allen Fällen den GAU eines dauerhaften Verlustes des Hörvermögens bedeuten muss. Eine Mittelohrentzündung, ein Ohrenschmalzpfropf (Schallleitungsschwerhörigkeit) und ein Tinnitus beispielsweise können vorübergehend zu Hörverlusten führen, sind aber nach ärztlicher Behandlung teilweise oder gar vollständig heilbar. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass ältere Menschen häufi ger von einer Hörschädigung betroffen sind als jüngere.

Grenzen des Hörbaren und des Erträglichen

Die Hörschwelle, also der Bereich, der bestimmt, ob etwas noch oder nicht mehr hörbar ist, liegt in etwa in dem Frequenzbereich zwischen 20 und 20.000 Hertz. Mit zunehmendem Alter verringert sich durch Abnutzungsprozesse innerhalb des Hörapparates die Hörschwelle im Bereich höherer Frequenzen, bis zu dem Punkt, an dem Bereiche des hohen Frequenzspektrums nicht mehr hörbar sind. Die Schmerzschwelle beschreibt die Lautstärke, ab der hörbare Sinneseindrücke als schmerzhaft eingestuft werden. Sie liegt bei 120 bis 130 Dezibel, was in etwa der Lautstärke eines startenden Flugzeuges entspricht. Lärm ist gesundheitsschädlich: Laut dem Netzwerk für Unternehmergesundheit Human Capital Care „sterben in Europa schätzungsweise jährlich rund 200.000 Menschen durch Lärm“. Der Grund: „Lärm verursacht Stress und hat einen negativen Einfl uss auf die Herzgesundheit.“ Das menschliche Ohr kann in einer Sekunde 50 akustische Sinneseindrücke unterscheiden. Etwa drei Millionen Menschen in Deutschland leiden chronisch an einem Tinnitus. Schätzungen auf der Webseite hörkomm.de gehen davon aus, dass im Laufe des Lebens jeder zweite Bundesbürger mindestens einmal von einem Tinnitus betroffen ist. Jens Wacker