Ausdrücklich wohnen

Nichts verrät mehr über uns und unsere Sehnsüchte als die Art und Weise, wie wir wohnen. Es ist nicht so sehr die Größe der Wohnung oder des Hauses, die über uns Auskunft gibt, als die Art der Dekoration, die Farbwahl, der Stil der Möbel und – ja, auch der allgemeine Zustand hinsichtlich Sauberkeit und Ordnung. 

Zwischen Staubtuchfreaks und Ordnungsfanatikern am einen Ende und Messies am anderen Ende besteht auf der unendlich erscheinenden Wohnskala reichlich Platz für Abstufungen und Interpretationen, die mit Krankheitsbildern nichts gemein haben. Darin finden sich die akkuraten Menschen wieder, denen eine gewisse Unordnung körperliches Unwohlsein verursacht. Sie lieben alles Helle, Geordnete und schwören auf gerade Linien und beschriftete Schubladeneinteilungen. Sie sortieren Bücherregale nach Farben und kaufen ihre Bilder passend zur Sitzlandschaft. Undenkbar für sie ist, dass der Haustürschlüssel nicht am dafür vorgesehenen Haken hängt und die Fransen des Läufers im Korridor ein ungekämmtes Eigenleben führen. Sie versuchen ihr Leben zu strukturieren und Unvorhersehbares auf ein Minimum zu reduzieren. Effizienz ist ein magisches Wort für den Ordnungsliebenden, der tatsächlich weniger Zeit für seine Wohnung aufbringen muss, da sie bestens organisiert ist. Die Schlüsselsuche findet mangels Gelegenheit einfach nicht statt.   

Dagegen steht der leicht chaotische Typ, der sein seelisches Innenleben gerne ausgebreitet auf dem Wohnzimmertisch vor sich liegen sehen möchte. Die Einrichtung gleicht einem Sammelsurium an Unikaten, deren ideeller Wert allein ihr Dasein berechtigt. Hier schlägt Kreativität eindeutig die Effektivität und die Suche nach dem Schlüssel könnte liebevoll mit einem Brainstorming verglichen werden. Auch diese beiden Typen sind in nahezu unendlichen Variationen in jedem Mehrfamilienhaus zu finden. 

Wesentlich subtiler lassen sich persönliche Wohnwünsche und angestrebte Lebensmodelle ausgerechnet an der Dekoration des Badezimmers ablesen. Hier finden sich zahlreiche Varianten auf der nach oben offenen Richterskala für Deko-Ausschläge. Der praktische Nasszellennutzer – meist eher männlich – bereichert die Ablage des Bads mit den nützlichen Utensilien direkt aus dem Drogeriemarkt. Blumen, Vasen oder gar Kerzen sucht man bei ihm vergeblich. Die Handtücher sind selbstverständlich nicht farblich auf die Fliesen abgestimmt und der Badewannenrand dient vorzugsweise der Kleiderablage. Man kann getrost davon ausgehen, dass in diesem Bad im Alltag Wellness und Beauty keine große Rolle spielen. 

Doch wer ein wenig mehr in die Innenraumatmosphäre investiert, gibt sich zu erkennen. Manchmal sind es für ausgesprochene Schlafmützen die bunt verspielten Farben, die jeden Morgen der guten Laune einen Kick geben sollen. Farbenfrohe Badtextilien in Ultraflauschqualität und ein extra rotes Badezimmerradio lassen auch das hartnäckigste Sandmännchen verschwinden. Wer von einer eigenen Finca in Spanien oder von einem Häuschen in der Provence träumt, mag eher die gedeckten Naturfarben im Bad. Ein wenig Korbgeflecht, Stein und Spitzenborte am Handtuch sind unverzichtbare Accessoires. Die Pflegeserie stammt aus einem Fachgeschäft für Naturprodukte. 

Eine ausgiebige Muschelsammlung am Badewannenrand deutet nicht auf einen Alpinisten hin. Dieser bevorzugt das Edelweiß und Hirschmotive. Der Geradlinige verstaut die notwendigen Kleinigkeiten unsichtbar hinter deckenhohen Badezimmerschränken, in denen man alles, aber auch wirklich alles ordentlich sortiert vorfindet. Puristen lieben Glas und Metall, feine Farben und auch ein wenig Pastell, das dem Ensemble die Strenge nehmen soll. In hohen, schlanken Vasen zeigen sich langstielige Blumen. Maximal eine Orchidee schafft den Weg ins Bad. Schnickschnack findet sich dort nirgends. Die wenigen, ausgewählten Pflegeprodukte überzeugen durch ihre Wirksamkeit und den ihnen zugesprochenen Nutzen.

Der postinnovative Trend ist der neuerdachte Retrostil. Dieser ist manchmal gar nicht gewollt, sondern hat sich im Laufe der Zeit einfach so ergeben. Wer sich nun ertappt fühlt, kann sich schnell helfen: Retrobäder wirken frisch und modern, wenn poppige Accessoires dem (entrümpelten) Bad das Verstaubte nehmen.

Noch ein Tipp zum Schluss: Wer sein Bad mit Wellness in sanfter Kerzenlichtstimmung in Verbindung bringen möchte, ist schon einen glaubhaften Schritt vorangekommen, wenn er die unbestreitbar notwendigen Putzutensilien à la Schimmel-EX aus dem direkten Sichtfeld verbannt.