Uns geht es gut

Patientenrunde statt Kaffeeklatsch

Wir Deutschen reden ja gerne über unser körperliches Befinden. Ab einem bestimmten Alter, so scheint es, schwelgen wir in Details unserer Unpässlichkeiten. So manche Kaffeerunde ähnelt eher einem Krankenkassenfachblatt.

Falsch ist es jedoch zu glauben, dass dies ein weibliches Phänomen sei. Das ist es nicht. Allerdings gehen Männer mit dem Thema anders um. Sie behandeln ihre Wehwehchen liebevoll wie alte Kriegsverletzungen. Teilweise hüten sie ihre schmerzenden Knie oder die verflixte Schulter wie Trophäen ihrer längst vergangenen Sportlerkarriere oder wie ein Erbe wilder Zeiten ihres einstigen Bikerlebens. Schließlich ging es damals rau und wild zu und – machen wir uns nichts vor – harte Kerle müssen dadurch. Demzufolge sind diese rauen Burschen auch nicht scheu, Operationen, Eingriffe und Therapien präzise ihrem meist männlichen Publikum maßstabsgetreu darzulegen. Es gibt wenige Frauen, die sich das Video der eigenen Operation retrospektiv anschauen. Männer hingegen entwickeln dafür ein seltsam anmutendes Interesse.

Schlank, fit und gesund - Erwarten Frauen zu viel von sich?

Frauen hadern eher mit den körperlichen Anzeichen des herannahenden Alters. Das hat verschiedene Gründe. Sie können diese auch nicht wie ihre männlichen Kollegen auf einen ungesunden Lebensstil schieben, da dieser für Frauen ohnehin noch nie en vogue war. Von Frauen erwartet man (seltsamerweise erwarten Frauen von Frauen viel mehr), dass sie diszipliniert auf ihren Körper und ihre Gesundheit achten. Lebensweise, Kosmetik, Fitness und Ernährung  sollen der Schönheit und dem Wohlbefinden dienen. Hinkt das Gesamtbild, so lässt es unterschwellig auf eine vermeintliche Disziplinlosigkeit oder anders geartete Schwäche schließen. Selbst hormonbedingte Veränderungen sollen mit großer Gelassenheit weggeatmet werden.

Jammern als deutsches Symptom

Natürlich hilft Gelassenheit sogar in nicht wenigen Situationen und das Phänomen des Wegatmens ist prinzipiell kein schlechtes, aber mit tadelloser Disziplin oder – im Umkehrschluss – mit Disziplinlosigkeit hat dies nichts zu tun.
Vielleicht hat die skeptische weibliche Haltung gegenüber Krankheiten - auch – ihren Ursprung in der Tatsache, dass Frauen mehr und häufiger in der Pflege der eigenen Eltern involviert sind. Das ist nicht immer spaßig und schon gar nicht ermutigend hinsichtlich der eigenen Vitalität und deren Verlust.
Engländer sind mit Auskünften über ihr körperliches Wohlbefinden deutlich zurückhaltender und diskreter, geradezu verschlossen. Auf ein freundlich hingeworfenes Wie geht´s antworten sie mit einer Gegenfrage im gleichen Stil. Besonders mitteilsame Engländer bringen maximal ein not too well hervor, um eine schwere Grippe mit hohem Fieber zum Ausdruck zu bringen.

Uns geht es gut.

Ist das besser? Das ist fraglich. Das schamhafte Vertuschen von gesundheitlichen Unzulänglichkeiten ist Ausdruck einer Höflichkeit und gleichzeitiger Distanz, die uns Deutschen in der Deutlichkeit fremd ist. Ein wenig mehr davon würde uns hierzulande zwar gut zu Gesichte stehen, aber passt letztlich nicht zu unserer Mentalität des immerwährend unzufriedenen Nörglers in uns, den wir bei aller sommerlichen Heiterkeit, die uns ab und an überfällt, kultivieren, hegen und pflegen. Und auch verstehen.
Eine positive Einstellung hilft sicherlich über kleinere gesundheitliche Schwächen hinweg. Nimmt man sie nicht so ernst, sind sie auch nicht so schlimm. Eine grundsätzlich positive Haltung lässt stressbedingte Beschwerden gar nicht erst aufkommen. Sie hilft auch, wenn es ernste Krankheiten zu bewältigen gilt. Kämpfernaturen wehren sich. Jammern und nölen gehört nicht zu ihrem Repertoire.  
Es geht uns gut. Im Großen und Ganzen.

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