Einfach mal nichts tun

Ein langes Wochenende lag vor mir. Die Sonne schien ohne jegliche Trübung erbarmungslos vom Himmel. Die Wetterprognose versprach weitere sommerliche Hitze. Meine Pläne für die kommenden Tage hatten sich gestern komplett in Luft aufgelöst, da die gute Freundin plötzlich doch mit ihrem neuen Schwarm an den See fahren wollte und damit unser lang im Voraus geplanter Konzerttrip ins Wasser fallen würde. Ganz praktisch hatte sie gleich Abnehmer für die Karten gefunden und schon war ich alle Sorgen los. Anstatt mich darüber zu ärgern, versuchte ich mir das Wochenende in den schönsten Farben vorzustellen, jedoch war ich über gleißend gelb und glutrot noch nicht hinausgekommen. Wenn ich es mir recht überlegte, war mir gerade auch gar nicht nach einer neuen Verabredung und großartiger Aktivität, da es einfach viel zu heiß war.

Gut! Einkaufen musste ich trotzdem und nutzte die noch kühlen Morgenstunden, um dem Samstagsmarkt einen Besuch abzustatten. Bei diesen Temperaturen reichten Salat und Obst durchaus, vielleicht ein Fisch, ein paar Oliven, das frische Brot von dem tollen Bäcker und ein Stück Käse. Wunderbar. Ich freute mich darauf, ganz entspannt im Schatten des alten Baumes im Garten zu verweilen und die wunderbaren Dinge aus meinem Einkaufskorb zu genießen.

Auf dem Weg nach Hause, der beschwerlicher war, als ich zugeben wollte, weil ich dann doch mehr tolle Sachen eingekauft hatte, als es ursprünglich der Plan war – ganz hingerissen von meinen neuen (zugegebenermaßen etwas trotzigen) Wochenendplänen – fiel mir mein letzter Urlaub im Süden ein. Dort hatte ich zwei Fischer beobachtet, wie sie auf einer Bank im Schatten alter Bäume saßen, die Kappen tief in die wettergegerbten Gesichter gezogen, die Arme verschränkt. Sie taten einfach nichts. Sie sprachen nicht, sie spielten nicht, sie tranken oder aßen nicht. Ihre Blicke verfolgten das Treiben auf der Straße und dem Platz, sie schauten verstohlen den Frauen hinterher, beobachteten, wie zwei Autofahrer um einen Parkplatz stritten, der Laster des Kollegen über das Pflaster rumpelte und ließen den Augenblick kommentarlos geschehen. Ein Dritter näherte sich den Beiden und mit einem fast unsichtbaren Nicken, das ebenso tonlos und nur angedeutet erwidert wurde, setzte er sich dazu. Gleiche Haltung, gleiche Attitude, bewegungslos.

Ich habe sie dafür bewundert.

Das wollte ich: den Augenblick genießen. Zeit haben und diese mit Beobachtung und eigenen Gedanken füllen. Ich hastete nach Hause, ganz erfüllt von der Aussicht auf das Nichtstun. Schnell erledigte ich im Haus ein paar Arbeiten, warf die Waschmaschine an, räumte die Spülmaschine aus, nahm noch schnell den Staubsauger zur Hand, ein paar Telefonate noch, die Post, die Blumen mussten noch gegossen werden und schon hatte ich es eilig, in den Garten zu kommen und mit dem Nichtstun zu beginnen. Ein wenig verschwitzt zog ich mich auf den Lehnstuhl zurück, verschränkte die Arme und schaute in meinen Garten. Ich ließ die Gedanken treiben, die sich jedoch an dem Blumenbeet festbissen und dort die verblühten Teile der Rose inspizierten, das Unkraut registrierten und den Wassermangel des dahinterstehenden Buschs beklagten. Nach etwa fünf Minuten angestrengten Nichtstuns mussten eben jene mich an meiner Lässigkeit hindernden Makel im Blumenbeet beseitigt und behoben werden. Etwas kreuzlahm, weil ein Unkraut sich wurzelfest des Rausreißens verweigert hatte und nur nach Aufwendung roher Gewalt meinem Willen entsprach, kroch ich wieder auf meinen Lehnstuhl, um mein Nichtstun fortzusetzen. Wiederum ließ ich meine Gedanken kreisen, die sich prompt um Lena, meine Nichte, drehten, deren Geburtstag ich vergessen hatte. Schnell sprang ich auf, um eine WhatsApp loszujagen, was mich unweigerlich dazu trieb, auch die eingegangenen Nachrichten zu inspizieren, die gleich beantworteten wurden. Das führte mich dazu, dass ich im Keller nach der Luftmatratze schaute, die Mia ihrer Tochter mitgeben wollte, die am Wochenende bei einer Freundin im Garten übernachten wollte. Dann war der Weg zur Waschmaschine nicht mehr weit, die mittlerweile fertig war und ich hing gleich die paar Sachen auf. War ja kein Ding. Ich sah noch das ein oder andere, was ich mit wenigen Handgriffen erledigen konnte und kam im späten Nachmittag wieder zurück auf meinen Lehnstuhl, um mein Nichtstun weiterzuentwickeln. Ein Kaffee wäre jetzt nicht schlecht, so dachte ich und begab mich in die Küche. Dort bereitete ich gleich den Salat vor, denn eigentlich war ich mittlerweile auch hungrig geworden, wozu natürlich der Kaffee nicht so recht passen wollte. Ruckzuck war ich nach etwa einer dreiviertel Stunde fertig und konnte schon zu Abend essen. Draußen im Garten natürlich.

Der Tag neigte sich langsam seinem Ende entgegen, wozu ein Glas Wein herrlich passte. Ich wurde müde, die Flasche war leer.

Dieses Nichtstun schlaucht ganz schön.

 
Magazin