Die Sucht in der Kunst

Erst kürzlich erklärte ein Künstler, dass er seine Werke verkaufen müsse, um mit dem Erlös neues Material für seine Arbeit kaufen zu können. Das sei notwendig, um seine Sucht zu befriedigen. Die Sucht nach Betätigung, meinte er, denn für ihn sei das Schaffen von Kunstwerken buchstäblich nahezu zwanghaft. Es ginge ihm, so der Mann weiter, weniger um den Ausdruck als solchen, sondern um sinnvolle und kreative Gestaltung der Zeit, die er dafür aufwende. Diese Konzentration auf die Gestaltung von Neuem, das in Folge darüber hinaus auch noch Anerkennung erführe, sei für ihn von enormer Bedeutung. Schließlich habe das Kunstschaffen eine andere, krankmachende Sucht abgelöst. Er sei Künstler geworden, um sich selbst zu therapieren.

Das war eine ungewöhnlich ehrliche Antwort, die der Künstler auf die Frage nach seiner Triebfeder gab. So ungewöhnlich, dass die Zuhörer irritiert schwiegen. Sie wollten Antworten hören, die zu ihrer Erwartung passen sollten: „Botschaft an die Welt“, „Blickwinkel ändern“, „Ausdruck von Gefühlen“ oder ähnliches. Sie hatten nicht damit gerechnet, dass die künstlerische Arbeit nur dazu diente, die freie Zeit nicht zu missbrauchen. Kunst als Füller für Leerzeit. Quasi Beschäftigungstherapie bei Drogenmissbrauch. Publikum, Aussage und Kunstwerk stehen als solche nicht im Vordergrund.

Doch in der Tat wird durch die unerwartete Aussage – weniger durch das Kunstwerk an sich – der Blickwinkel des Betrachters geändert. Es stellt sich die Frage, wie gut ist man als Konsument darauf vorbereitet, dass es nicht primär um die Befriedigung seines eigenen Bedürfnisses geht, sondern um jemand anderen? Wie gut können wir damit umgehen, dass da jemand nur für sich etwas tut, und die Anerkennung ausschließlich dazu dient, finanziell in der Lage zu sein, sich selbst zu helfen.

Diese Kunst des besagten Künstlers nun lediglich als Handelsware zu begreifen, würde dem Kern nicht gerecht. Ist es doch mehr als ein Deal, den alle Beteiligten eingehen. Seine Arbeit am Kunstwerk macht Sinn – für ihn. Und darf überdies gefallen. Irritierend allein ist die Ehrlichkeit, mit der klar zum Ausdruck kommt, worum es geht. Ohne Protz, falsche Ideale und Chi-Chi.

Wer darüber hinwegsehen kann, dass er mit der Kunst als Adressat gar nicht gemeint war, der darf seinen eigenen Egoismus einschalten und das Werk für sich selbst interpretieren. Im Wissen darum, dass Kunst mehr ist als der Imperativ des Schöngeistes.

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