Einfach mal nichts tun

„Einfach mal nichts tun“, nimmt man sich regelmäßig vor, wenn der alltägliche Wahnsinn wieder auf seinen Höhepunkt zusteuert. Es sind nicht die extravaganten Besonderheiten, die das Nervenroulette auf Touren bringen, sondern der eng getaktete Zeitplan, der den Spagat zwischen Familie, Beruf, Haushalt und Freizeit bis an die Dehngrenze ausreizt. Und dann wünscht man sich, einfach mal nichts zu tun. Plötzlich ist es soweit: Der Terminkalender ist leer. Ein ganzes Wochenende ohne eine einzige Verabredung wartet. Und der Einkauf ist auch schon erledigt, der Hof gekehrt, Mann und Kind übers Wochenende zum Trekking inklusive Übernachtung im Zelt aufgebrochen, der Wäschekorb ist – noch – leer und die Putzfee hat sich vor einer Stunde lächelnd verabschiedet. Es gibt nichts, was getan werden muss oder auf seine Erledigung geradezu pocht. Der Garten ist perfekt und beim Friseur war man auch schon. Herrlich.

Die Kaffeemaschine brüht den wohl besten Latte Macchiato auf, den man sich denken kann und schon sitzt man im Gartenstuhl, die Zeitung vor sich aufgeschlagen und beginnt das Wochenende zu genießen. Durch die lokale Tageszeitung ist man jedoch schnell durch, der Kaffee ist leer und in der Sonne ist es eigentlich zu heiß. Schnell in kurze Hose und Top, Liege raus und Schirm dazu – aber jetzt geht es los mit der Entspannung. Mist, das Buch vergessen! Eigentlich müsste ich ja noch für die Firma etwas nachlesen, aber nein, doch nicht heute! Kommt gar nicht in Frage. Wo habe ich das Buch nur hingelegt? Ach, das ist blöd, das habe ich doch schon vor zwei Wochen weggelegt, weil es mir nicht gefiel. Na, dann eben ohne Buch. Einfach nur daliegen und nichts tun, nichts denken. Wie schön. Was die beiden jetzt wohl machen? Ob sie genug zum Essen und Trinken mitnehmen? Sie sind ja manchmal etwas unorganisiert. Ob mit dem Zelt auch alles klappt? Ich habe vergessen, ihnen Autan mitzugeben. Na, dann sehen sie morgen früh herrlich aus.

Oh, Telefon! Nein, er ist nicht da... Ja, morgen wieder... Nein, erst gegen Abend. Ich rufe mal Patricia an. Vielleicht hat sie Lust, heute Abend ins Kino zu gehen. Wäre doch schön, so ein Frauenabend. Anschließend noch eine Kleinigkeit essen und ein Glas Wein trinken. Hallo Patricia! …Oh, Du bist schon verabredet? Ja, schade. Macht nichts. Hallo Evelyn!… Ihr bekommt Besuch? …Ach, Du bist im Stress? Ja, das kenne ich. Denke nur, ich habe ein Wochenende ganz für mich... Soll ich Dir nächste Woche erzählen?! Liebe Marie, wenn Du Deinen AB abhörst, dann ruf mich doch bitte mal zurück.

Das ist ja blöd. Daran hätte ich auch früher denken und mich für heute verabreden können. Jetzt sind alle anderen schon verplant. Aber ich wollte ja unbedingt ein Wochenende ganz für mich. Jetzt habe ich es. Ach, ich fahre einfach shoppen. Allerdings ist es jetzt eigentlich schon zu spät. Für Sport ist es zu heiß, um den Zaun zu streichen (hätte man ja schon längst tun sollen), fehlt mir die Farbe und einen Kuchen backe ich jetzt auch nicht. Na, dann wieder auf die Liege. Wie machen manche das bloß, einfach dazuliegen und nichts zu tun. Ich werde ganz kribbelig. Ich lasse jetzt den wertvollen Tag verstreichen, ohne irgendetwas Spannendes daraus zu machen. Das ist doch zu schade. Das geht ja eigentlich nicht. Und entspannt fühle ich mich jetzt auch nicht. Ganz im Gegenteil. Ich fühle mich vom Nichtstun gestresst. Ich werde das in Zukunft üben.

Magazin