Der politische Frühling

Frühling ist die Zeit des Aufbruchs. In jeglicher Hinsicht wird diese Jahreszeit, in der sich bedeutende und positive Veränderungen ereignen, als eine Metapher herangezogen, die weit über die meteorologische Bedeutung hinausgeht. Frühling steht sinnbildlich für Neuanfang und Veränderung, für Geburt und Leben, für rege Betriebsamkeit, für neue Ideen und natürlich auch für die Liebe. Ein anderes Themengebiet spielt mit hinein: der politische Frühling. Arabischer Frühling, Prager Frühling - unter diesen Begriffen sind politische Reformbewegungen in die Geschichte eingegangen. Als Völkerfrühling wird manchmal auch der mit Michail Gorbatschow begonnene Weg der vormals von der Zentralmacht unterdrückten Sowjetrepubliken in die Unabhängigkeit bezeichnet. Der Begriff Völkerfrühling tauchte erstmals 1818 in Ludwig Börnes Zeitung Die Wage auf. Zu dieser Zeit war Europa von Unruhen durchzogen. In den meisten europäischen Ländern herrschte eine vorrevolutionäre Stimmung.

Doch auch später wurde der Begriff des politischen Frühlings als ein Synonym für einen Volksaufstand verwendet. Immer dann, wenn sich die Bevölkerung gegen Unterdrückung und für Freiheit auf die Straße wagte und teils sehr blutige Auseinandersetzungen folgten, wurde von einem politischen Frühling gesprochen. Frühling wird dabei zur Metapher für eine Idee, eine Bewegung oder ein Wandel, der scheinbar nicht mehr aufzuhalten ist. Auch wenn es schon zu gewaltsamen Niederschlagungen der Aufstände kam, werden sich langfristig neue Ideen nicht verbieten oder gar verhindern lassen.

Zurzeit wird der Begriff des politischen Frühlings auch als Etikett für neue parteiinterne Konzepte und Versammlungen benutzt, um deutlich zu machen, dass es sich um die Einführung neuer Ideen handeln soll - sozusagen als frischer Wind in althergebrachten Strukturen. Damit verliert die starke Metapher jedoch an Eindeutigkeit und leider auch an Wert.

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