Wohngefallen

Kürzlich lud mich ein befreundetes Ehepaar zu sich nach Hause ein. Wir kennen uns noch nicht so lange und ich war erstaunt, dass sie sofort ihr privates Reich offenbarten. Schließlich ist dies selten geworden. Man verabredet sich zum Wandern oder ins Kino oder trifft sich heutzutage häufig in Restaurants oder schönen Lokalen – sozusagen auf neutralem Boden. Ich war tatsächlich ein wenig verunsichert aufgrund dieser ungewohnten Nähe, die man mir gestattete. Was sollte ich mitbringen? Damit fing es schon an. Blumen! Blumen gehen immer, dachte ich, womit ich auch nicht falsch lag. Die Begrüßung war herzlich und über den Strauß freute sich die Gastgeberin aufrichtig. Liebevoll war der Tisch gedeckt, das Essen einfach lecker und der Wein schmeckte hervorragend. Das Ehepaar war heiter und entspannt. Sie waren unaufgeregt und genossen den Abend wirklich. Ich fühlte mich wohl. Und dann begriff ich auch, warum dies so war: Ganz abgesehen von den wohlgelaunten Gastgebern und den netten Gesprächen kam die Wohlfühlatmosphäre aus dieser ungekünstelten Haltung heraus, die entsteht, wenn man am eigenen Leben teilhaben lässt. Die Wohnung war aufgeräumt – keine Frage - aber nicht steril. Die Einrichtung war geschmackvoll, aber sie lebte und zeigte ebensolche Spuren. Den Lieblingssessel konnte man gleich erkennen und der schöne Teppich zeigte bereits Charakter. Die Accessoires, Kleinigkeiten, Andenken und Bilder waren originell und gestalteten das Gesamtbild, aber sie waren nicht immer farblich, im Stil oder Größe passend. Sie waren einfach wichtig für das Ehepaar und erzählten eine Geschichte, die interessant zu erfahren war.
Ich habe mich wohlgefühlt, weil man es ganz natürlich zuließ, dass ich einen Blick in ein Leben werfen durfte – und nicht in eine Möbelausstellung. 
 

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Chili Magazin