Der Autor Martin Walker ist gebürtiger Schotte, hat in Oxford und Harvard Geschichte, Wirtschaft und Internationale Beziehungen studiert. Er hat 25 Jahre als politischer Journalist bei der Londoner Tageszeitung The Guardian gearbeitet, deren Büroleiter er in Moskau und Washington war. 1978 wurde er mit dem britischen Reporter-des-Jahres-Preis ausgezeichnet. Er schrieb und schreibt unter anderem für die New York Times, Die Zeit, El Mundo und die Moscow Times. Martin Walker lebt in Washington DC und im Périgord.
Umso erstaunlicher ist es, dass er sich in der noch jungen Krimireihe um den französischen Polizisten Bruno Courrèges so sehr dem französischen Landleben im kleinen Nest Saint-Denis verschrieben hat. Mit der Folge 1, die den Titel Bruno Chef de Police trägt, startete Walker 2008 eine beschauliche Beschreibung der französischen Bilderbuch-Idylle, die nicht mit Typen, Landschaft und kulinarischen Leckereien geizt. Fast ein wenig zu viel der stereotypen und allseits bekannten Klischees ermüden immerhin den Leser, der nicht per se dem frankophilen Charme erlegen ist. Zwischen all dem reiseführergleichen Lokalkolorit kommt Bruno dann doch dazu, sich um den jeweiligen Fall zu kümmern. Leider ist auch dieser nicht frei von vorhersehbaren Vorurteilen. Ein Immigrant, Kriegsveteran aus dem Algerienkrieg, dessen Kinder in der Ortschaft wohnen, ist tot aufgefunden worden. Da das Verbrechen offenbar rassistische Hintergründe hat, werden auch nationale Polizeibehörden eingeschaltet, die Bruno von den Ermittlungen ausschließen wollen. Doch der nutzt seine Ortskenntnisse und Beziehungen, ermittelt auf eigene Faust und deckt die in der Résistance-Zeit wurzelnden Ursachen des Verbrechens auf.
In Folge 2, Grand Cru, widmet sich Walker dem Wein und der massiven Konfrontation von Umweltschutz und Kommerz. Das Périgord ist nicht nur ein Gourmet-Paradies, sondern auch ein phantastischer Boden für Spitzenweine. Der kalifornische Weinunternehmer Bondino ahnt es, und er hat große Pläne: Er will das ganze Tal aufkaufen und verspricht, dem Périgord seinen einstigen Rang als Heimat von Grands Crus zurückzugeben – unter gewissen Bedingungen. Saint-Denis hat die Qual der Wahl – beschauliche Idylle bleiben oder Sitz einer modernen Weinindustrie werden, mit vielen neuen Arbeitsplätzen. Als eine Leiche in einem Weinfass gefunden wird, überschlagen sich die Ereignisse. Aber dies auch nur mit der Ruhe der französischen, zum Teil holzschnitzartigen Figuren.
Doch trotz aller Kritik an der Profilgestaltung der Figuren muss man zweifelsohne betonen, dass die Bücher tatsächlich in der Lage sind, französisches Ambiente zu zeichnen. Die Botschaft ist, dass die großen Probleme der Globalität auch in den letzten Winkel der noch so heilen, comicartig skizzierten Welt Einzug halten. Für hartgesottene Krimifans werden die Geschichten Walker zu langsam sein. Für weniger blutrünstige Leseratten, die sich gerne mit den Protagonisten identifizieren möchten, gibt es viele Anknüpfungspunkte.
Und diese Leser werden sicherlich bei der kommenden Urlaubsplanung auch an das Périgord denken.
Martin Walker
Diogenes Verlag
Bruno Chef de Police
ISBN 978-3257066999
Grand Cru
ISBN 978-3257067507