Störche in der Pfalz

Wenn Weißstörche aus ihrem Winterquartier in Afrika, Spanien, Portugal oder einem Land sogar jenseits des Äquators in die Pfalz zurückkehren, dann haben sie auf der Suche nach einem geeigneten Brutquartier nicht selten mehrere 1.000 Kilometer und unzählige Flugstunden hinter sich gebracht. Die Gestalt des etwa ein Meter langen Vielfliegers, der über eine Flügelspannweite von etwa zwei Metern verfügt, ist schlicht imposant. Das typisch weiße Federkleid, welches von schwarzen Bereichen der Schwungfedern unterbrochen wird, die rötlichen Beine und der lange, ebenfalls rötliche Schnabel wirken vertraut und lassen keinen Zweifel bei der artenspezifischen Einordnung des tierischen Kosmopoliten zu.

Nahrungsangebot und Nahrungsaufnahme

Bei der Wahl des eigenen Speiseplans ist der Weißstorch nicht sonderlich wählerisch. Insekten, kleine Nagetiere und Amphibien gehören ebenso zu den nachgefragten Speisen wie Fische und Aas. Seine Nahrung findet der Weißstorch in Überschwemmungsgebieten, bewirtschafteten Wiesen- und Weidelandschaften und in der Nähe von Kleingewässern. Das Jagdverhalten des Storches, das sich vor allem durch das Durchschreiten von Weiden und Wiesenlandschaften und das blitzschnelle Picken nach Beute mithilfe des bis zu 19 Zentimeter langen Schnabels auszeichnet, ist charakteristisch.

Nestbau und Fortpflanzung

Die Suche nach einem geeigneten Nistplatz, einem so genannten Horst für die Brutzeit von April bis August, beginnt bereits im Monat März und wird von den bereits einige Wochen vor den Weibchen eintreffenden Männchen organisiert. Weißstörche sind bei der Wahl des Brutplatzes sehr standorttreu. Sie besetzen oft über viele Jahre denselben Nistplatz. Das eigentliche Nest wird ständig ausgebaut. Weißstörche sind mehr wie jeder andere heimische Vogel für ihren Aufwand in Sachen Nestbau bekannt. Neben dem natürlichen Lebensraum findet der Weißstorch auch Gefallen an von Menschen gebauten Unterkünften. Auf Türmen und Hausdächern im ländlichen Raum sind die Brutstätten der Störche seit je her ein Teil des regionalen Bildes. Die Geschlechtsreife erreicht der Weißstorch im Alter von zwei Jahren. Das typische Klappern des Schnabels signalisiert dem Partner die Bereitschaft zur Paarung. Drei bis sieben Eier werden von Weibchen und Männchen gleichermaßen über einen Zeitraum von etwa 32 Tagen ausgebrütet. Die Nestlinge bleiben für rund zwei Monate im heimischen Horst.

Neues vom Klapperstorch – Bestandsentwicklung

Den Weißstorch traf man ursprünglich in ganz Mitteleuropa an. Im Rahmen der Industrialisierung im frühen 19. Jahrhundert wurden Feucht- und Sumpfgebiete trocken gelegt. Ehemalige Ur-Wiesen mussten zugunsten einer extensiven Flächennutzung weichen, was nachträglich den Lebensraum und das Nahrungsangebot der Störche veränderte. Nach starken Rückgängen der deutschen Storchpopulation brüten seit Anfang des neuen Jahrtausends wieder circa 4.500 Storchenpaare in Deutschland. Chili hat Christiane Hilsendegen, Leiterin des rheinland-pfälzischen Storchenzentrums in Bornheim und Pressesprecherin der Aktion PfalzStorch e.V., zum Thema Störche in der Pfalz befragt.

Chili: Frau Hilsendegen, fühlt sich der Storch, auch inmitten menschlichen Treibens, in der Pfalz wohl? Wenn ja, warum ist das so?

Christiane Hilsendegen: Der Storch ist ein Wildtier und daher schon störungsanfällig, denn es gibt immer wieder Nester, die auch verlassen werden, wenn es zu turbulent zugeht. Allerdings ist er seit Jahrhunderten, vielleicht auch noch länger ein Kulturfolger, der auch mal einem pflügenden Traktor folgt, um die "angeschlagene" Beute aufzusammeln oder zu schnappen. Der Bestand der Weißstörche hat sich zum Teil weit ab in ruhigen Wiesen, aber auch manchmal mitten in Dörfern sehr gut entwickelt. 2012 gab es 134 Brutpaare in Rheinland-Pfalz, aus deren Nester 311 in den Süden flogen. Das entspricht einer Zunahme der Brutpaare von 22 Prozent und einer Zunahme der Jungen von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ein Ergebnis, das unsere Erwartungen bei weitem überstiegen hat, zumal die Störche in anderen Bundesländern ganz schön zu kämpfen hatten.

Chili: Wie sollte der optimale Lebensraum eines Storches aussehen?

Christiane Hilsendegen: Eigentlich ist der Storch ein Bewohner von wilden Flussauen. Da dieses Biotop in der Pfalz in seiner ursprünglichen Form nicht mehr vorkommt, vermehrt er sich vor allem in abwechslungsreichen Landschaften mit großen, bewässerten Wiesenflächen am besten. In unmittelbarer Nähe zu Wässerwiesen erreicht er eindeutig die höchsten Jungenzahlen pro Nest. Die Wiesenbewässerung simuliert die Verhältnisse in einer Flussaue ziemlich genau: wechselnde Wasserstände, zeitweises Trockenfallen von vernässten Bereichen, sozusagen ein ständiges Auf und Ab und Hin und Her.

Chili: Was kann getan werden, um den Lebensraum für Störche in der Pfalz zu verbessern?

Christiane Hilsendegen: Es wurde bereits sehr viel von der Aktion PfalzStorch und von anderen Aktiven unternommen, um die Bauern wieder zur konsequenten Pflege ihrer Wiesen zu motivieren. Denn nur in niedrigen Wiesen findet Adebar genug Nahrung. Auch wurde von Vertretern der Aktion PfalzStorch die Reaktivierung der Wiesenbewässerung im Queichtal und mittlerweile auch am Speyerbach initiiert. Derzeit wird zum Beispiel das Oberhochstadter Wehr wieder instand gesetzt, damit ehemalige Wässerwiesen wieder mit Wasser versorgt werden können. Ganz wichtig ist uns auch, die Bevölkerung für diesen wunderschönen Vogel zu begeistern, für seine Bedürfnisse zu sensibilisieren und über Aktuelles zu informieren. Diese Aufgaben übernimmt das rheinland-pfälzische Storchenzentrum, Kirchstraße 1, 76879 Bornheim, mit seiner interaktiven Storchen-Ausstellung und der Website: www.pfalzstorch.de.

Innerer Kompass

Wenn die Schatten der Weißstörche über die Pfälzer Landschaft ziehen, wenn das typische Klappern die dörfische Geräuschkulisse ergänzt, dann ist der Vorbote des Frühlings, der Weißstorch, aus seinem Winterquartier zurückgekehrt. Unzählige Kilometer trennen Winterquartier und Brutplatz des Storches. Die Überwindung jener räumlichen Trennung, die Leistung, zielsicher nach tausenden Kilometern Flug den Zielort zu finden, fasziniert seit je her Menschen auf der ganzen Welt. Abschließend erklären lässt sich dieser einzigartige Orientierungssinn trotz vieler Theorien nicht. Eine gängige Theorie ist der so genannte Magnetsinn der Vögel. Jener Sinn soll, so die Fachmeinung, den Vögeln die Wahrnehmung der Magnetfeldlinien des Erdmagnetfeldes ermöglichen. Mithilfe dieser Wahrnehmung können Vögel den Neigungswinkel von Magnetfeldlinien relativ zur Erdoberfläche erkennen. Wenn Vögel nach Süden ins Winterquartier fliegen, nimmt der Neigungswinkel des Erdmagnetfeldes in Richtung Äquator ab, beim Flug nach Norden zu den Brutplätzen nimmt der Neigungswinkel zu. Wie ein amerikanisch-dänisches Forscherteam herausgefunden haben will, sollen Vögel zudem über eine Art Landkarte im Kopf verfügen, die allerdings erst bei erwachsenen Vögel voll ausprägt sein soll. Jene Karte soll eine grobe Orientierungshilfe darstellen, die Angaben über die Position westlich oder östlich des angestrebten Ziels enthält. Sicher gilt, dass physische Einwirkungen, wie beispielsweise aufsteigende Warmluft, eine entscheidende Rolle bei der Wahl des Flugkorridors der Vögel spielt. Eine günstige Thermik bildet sich vor allem in Landschaften, in denen sich einzelne Landschaftsbestandteile wie Wasser und Land nicht gleich schnell erwärmen. Diese günstige Thermik führt dazu, dass Vögel nicht die schnellste Route über das Mittelmehr ins Winterquartier nutzen, sondern vielmehr den größten Teil der Flugroute gen Süden über Land bestreiten.

Zugunruhe, Einblick in den inneren Kalender eines Weißstorches  

Nach der Brutzeit im August machen sich Störche auf ihren Weg in das Winterquartier. Es stellt sich die Frage, wie Störche den Zeitpunkt der Abreise bestimmen. Die landläufige Vorstellung, dass die ersten Kälteperioden, die ersten Vorzeichen des nahenden Herbstes die Störche zum Abflug veranlassen, ist nicht gänzlich richtig. Vielmehr spielt der Sonnenzyklus eine entscheidende Rolle. Wenn in der zweiten Jahreshälfte die Tage kürzer werden, verringern sich auch die Sonnenstunden eines Tages, jene Stunden, die dem Storch die für die Reise notwendige Thermik, gewährleisten. Ein weiterer Grund ist der Rückgang des Nahrungsangebotes durch die jahreszeitbedingte Veränderung des Lebensraums. Umso weiter der Storch in Richtung Süden vordringt, desto mehr gleichen sich die Tages- und Nachtzeiten an. Die Zeiten zur Nahrungssuche und Ruhezeiten sind günstiger als zur gleichen Zeit in unseren Breiten.

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