Ein Klimawandel - viele Fragezeichen

Die Begleiteffekte des voranschreitenden Klimawandels werden immer deutlicher. Es ist Schadenbegrenzung angesagt. Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) stellt in seiner Naturgefahrenbilanz 2015 fest, dass im zurückliegenden Jahr rund 2,1 Milliarden Euro für Schäden durch Extremwetter gezahlt wurden. Vor allem der Wintersturm Niklas habe eine Schadensregulierung in Höhe von 750 Millionen Euro nötig gemacht. Neben Sturm Niklas blieben laut GDV „vor allem die zerstörerischen Bilder zahlreicher Tornados in Erinnerung“, die beispielsweise zu Schäden an über 100 Häusern im Mecklenburg-Vorpommern geführt hätten.

Zu einer möglichen Häufung von Extremwetterereignissen nennt der GDV eine im Jahr 2011 veröffentlichte Studie von Versicherern und Klimaforschern, die besagt, dass bis zum Jahr 2100 Sturmschäden „um mehr als 50 Prozent zunehmen könnten“. Besonders schadenträchtige Stürme mit einer Intensität, wie sie heute alle 50 Jahre vorkommt, könnten dann alle zehn Jahre eintreten. Ob jene Häufung von Extremwetterereignissen automatisch den Rückschluss zulässt, die globale Erwärmung als Hauptschuldigen zu identifi zieren, bleibt indes weiter - auch in der Fachwelt - ein Streitthema. Es gilt die Frage zu beantworten, ob zwischen dem voranschreitenden Klimawandel und dem Wetter, insbesondere aber den Extremwetterereignissen, ein direkter Zusammenhang besteht, zumindest aber gegenseitige Abhängigkeiten festzustellen sind.

Das Studium der Sammlung an themenbezogenen Statistiken, die in regelmäßigen Zeitabständen einer Überprüfung Stand halten müssen, sorgt für Ernüchterung. Wenn im Jahr 2100 festgestellt werden sollte, dass die prognostizierten Zahlenreihen des Jahres 2016 und der Folgejahre mit den späteren (tatsächlichen) Messwerten und der Liste der dokumentierten Wetterereignisse übereinstimmt oder eben nicht übereinstimmt, dann kann das der heutigen Generation selbstredend nicht helfen. Ebenso kann die Annäherung an eine mögliche, nicht gesicherte zukünftige Realität die Frage nach den Wirkungszusammenhängen und der Geschwindigkeit des Klimawandels sicher nicht abschließend beantworten. Was jedoch möglich ist, ist der Blick in die Vergangenheit. Aus früheren Wetterereignissen lassen sich, beispielsweise durch wissenschaftliche Untersuchung des Bodens, Rückschlüsse auf Vorbedingungen fi nden, die in der Folge zu Extremwetterereignissen führten. Wird bei Bodenuntersuchungen festgestellt, dass in einem zeitlich abgrenzbaren Teil der Erdgeschichte Vulkanasche und andere Einträge vulkanischen Ursprungs den Boden und Himmel bedeckten, dann hatte das unmittelbare Auswirkungen auf das Klima und auf die mannigfaltigen Formen von Leben in dem betroffenen Bereich des Globus.

Die zentrale Erkenntnis: Wenn sich ein solches Ereignis wiederholen sollte, dann kann mit ähnlichen Auswirkungen gerechnet werden. Schwieriger einzuordnen sind Wetterphänomene und Extremwetterereignisse dann, wenn sie das erste Mal wissenschaftlich erfasst werden. In diesem Fall kann nicht auf Zahlenreihen und historische Erfahrungswerte zurückgegriffen werden. Reagieren ist angesagt. Ist Klimawandel also eine Art Vulkanausbruch mit globalen Auswirkungen, der bekannte Extremwetterereignisse weiter intensiviert, oder gar auslöst, oder eher nicht? Die Wahrheit: Eine allgemeingültige Antwort gibt es nicht. Das weltweit bekannte Phänomen des El Niño kann laut eines Berichtes der Onlineplattform faz.net als Beispiel für ein zeitlich überschaubares, also durchaus erwartbares Wetterextremereignis herangezogen werden.

Das Christkind (El Niño auf Deutsch) nimmt unter den Klimaanomalien der jüngeren Erdgeschichte laut faz.net alle paar Jahre seinen Ausgang im tropischen Pazifik, wo es durch die Verlagerung gewaltiger Warmwassermassen aus dem West- in den Ostpazifi k vor die südamerikanische Küste einen direkten Einfl uss auf den normalerweise kalten Humboldtstrom ausübt. Je ausgeprägter die Erwärmung des Ostpazifiks ausfalle, desto gravierender seien die Auswirkungen, so faz.net Das Klimaphänomen habe dabei einen direkten Einfluss auf das globale Wetter, „im Kleinen wie im Großen“. Die Dimension des aktuellen El Niño, „der sich im Jahr 2015 aufgebaut hat und als eine der stärksten Anomalien in die Geschichtsbücher eingehen wird“ könnte dazu führen, dass Extremwetterereignisse gehäuft auftreten. Viele Wetterforscher gehen davon aus, dass 2016 zu einem der wärmsten, wenn nicht sogar zu dem wärmsten Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnung heranreifen könnte.

Das Vorjahr jedenfalls gilt nach Bericht des Deutschen Wetterdienstes (DWD) bereits heute als zweitwärmstes Jahr seit dem Beginn der flächendeckenden Messungen im Jahr 1881. Den Rekord hält nach wie vor das Jahr 2014 mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von 10,3 Grad Celsius. Das Jahr 2015 fiel, so der DWD in seinem Bericht Deutschlandwetter im Jahr 2015, „zu trocken und sonnenscheinreich aus“. Besonders der Jahresabschluss, der die wärmsten Monate November und Dezember seit 1881 hervorbrachte und ein neuer Hitzerekord (40,3 Grad Celsius am 5. Juli und am 7. August, gemessen im fränkischen Kitzingen) bleiben in Erinnerung.

Was bringt 2016?
Über alle Wenn und Aber erhaben bleibt die ernüchternde Erkenntnis, dass niemand, auch nicht die Fachwelt, eine verbindliche Entwicklung des Wetters vorauszusehen vermag. Mit diesem Wissen fällt die Beantwortung der Frage, warum man die Folgen des Klimawandels nicht genauer (Stichworte: Zeit, Intensität und Verortung von Extremwetterereignissen) bestimmen kann, sicherlich leichter. Eine Beruhigung ob der ungewissen Zukunft unseres Klimas will sich jedoch nicht so recht einstellen. Wir halten es mit Johann Wolfgang von Goethe: „wir würden gar vieles besser kennen, wenn wir es nicht zu genau erkennen wollten.“

Jens Wacker