Beweg Dich!

Die guten Vorsätze vom Silvesterabend schwirren noch im Kopf herum. Gesünder will man leben, mehr Sport treiben auch. Und wie jedes Jahr bleibt es nach gut gemeinten, doch kläglichen Anläufen beim Vorsatz. Dass es gar nicht so schwer ist, einen gesünderen Lebensstil mit mehr Sport zu kombinieren, belegen immer mehr Wissenschaftler. Bewegung heißt das Heilmittel. Dabei ist es gar nicht so wichtig, dass man sich in Höhen des Leistungssports begibt oder eine teure Ausrüstung anschafft, schweißtreibende Massenkurse belegt oder zeitraubende Trainingseinheiten mühsam in den knappen Terminkalender presst. Zu erreichen ist ein positiver Effekt auf den allgemeinen Gesundheits- und auch Gemütszustand schon mit Spazieren gehen oder laufen.

Dabei ist nicht von Marathon oder Triathlon, noch nicht einmal unbedingt von Joggen die Rede, wobei diese sportlichen Aktivitäten davon keineswegs ausgeschlossen sind. Nein, es sind Wanderungen, tatsächliche Spaziergänge oder Walken, die schon – wenn sie regelmäßig betrieben werden und nicht nur einmal im Monat – eine Steigerung des Wohlbefi ndens und der körperlichen Konstitution zur Folge haben. Auch der Gang zum Briefkasten, zum Bäcker, zur Arbeit, zur Schule zählen bereits dazu.

Natürlich ist es das Herz-Kreislauf-System, das vordergründig am meisten profitiert, wenn das Herz schneller pumpt, die Körpertemperatur steigt und dutzende von Botenstoffen in Kopf und Glieder strömen. Wohlstandskrankheiten wie Diabetes mellitus und Bluthochdruck können nicht nur präventiv sondern sogar therapeutisch mit Bewegungbehandelt werden. Sport hält die Arterien gesund und bewahrt so vor Infarkten und Schlaganfällen. Außerdem wird der Blutzuckerspiegel in Balance gehalten, so dass weniger bis keine Medikamente in einigen Fällen notwendig waren, wie Tests beweisen. Aber auch im Gehirn entstehen neue Nervenbahnen. Krankes Gewebe heilt und neue Zellen wachsen heran. Sogar Erbsubstanz soll laut Wissenschaft repariert werden. Die Mechanismen, die Sport im Körper lostritt, sind so vielfältig und komplex, dass Mediziner sie bis heute nur zu einem Bruchteil verstanden haben. Auch das breite Spektrum seiner Heilkraft können sie nur erahnen. Eines aber wird ihnen mit jeder neuen Erkenntnis bewusster: Bewegung ist eine hocheffektive Therapie, die gegen weitaus mehr Krankheiten hilft, als sie bisher wussten.

Lange bekannt ist, dass Sport die Muskulatur kräftigt. Wer sich viel bewegt, ist weniger anfällig für Verspannungen und spannungsbedingte Kopfschmerzen, und er schützt sein Skelett bis ins hohe Alter vor Brüchen. Denn auch die Knochensubstanz profitiert vom Sport: Studien zeigen, dass äußere Krafteinwirkungen die Zellen des Knochenmarks anregen, neues Gewebe zu produzieren. Jede Kraft, die ein Muskel erzeugt, wirkt auch auf den Knochen, mit dem er verbunden ist. Dabei verformt sich der Knochen leicht – und das setzt innere Aufbauprozesse in Gang. Dieter Felsenberg, Leiter des Zentrums für Muskel- und Knochenforschung der Charité in Berlin rät dazu, zweimal die Woche intensives Krafttraining zu betreiben. Auch Tanzen sei gut, denn Tänzer hätten sehr feste Knochen, sagt Felsenberg.

Relativ neu sind die Forschungen auf dem Gebiet der Beziehung zwischen Bewegung und Psyche. Man ahnte schon längst, dass bewegte Menschen ausgeglichener und zufriedener sind. Nun ist der Psychologe Johannes Michalak der Verzahnung von Körperhaltung und emotionalem Zustand auf der Spur. Er fand heraus, dass das bewusste Einnehmen von Körperhaltungen Einfluss auf die Stimmungslage haben kann. In einer Reihe von Tests ließ er Probanden in verschiedenen Laufhaltungen Botschaften unterschiedlichen Inhalts lernen. Sie erinnerten sich an die positiven Botschaften, die man ihnen in aufrechter und straffer Haltung mitgeteilt hatte, besser und wiederholten die negativen Botschaften, die sie in schlurfender, depressiver Haltung aufgenommen hatten.

Die Frage ist: Kann diese körperliche Intervention auch depressiven Patienten helfen? Forscher von der Medizinischen Hochschule Hannover lähmten mit Botox- Injektionen die Zornesfalte an der Stirn von depressiven Menschen. Tatsächlich hellte sich sechs Wochen nach der Behandlung bei 60 Prozent der Behandelten die Stimmung deutlich auf. Und jüngst wies Johannes Michalak nach, dass aufrechtes Sitzen eine Depression lindert und Kauern dazu führt, sich eher negative Sätze zu merken. Wer sich also bewusst bewegt, kann etwas für sich tun. Wobei exzessives Trainieren meist mehr schadet als hilft und ein Spaziergang immer noch kein Allheilmittel und Garant für ein ewiges Leben darstellt.